Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

René Buchholz: Falsche Wiederkehr der Religion

Zur Konjunktur des Fundamentalismus

Vielerorts in der Welt, auch in Europa, werden im Namen einer Religion Anschläge auf Menschen verübt. Wie verzerrt und missbraucht auch immer die Medien berichten, es sind allzu oft religiöse Überzeugungen, die zur Herleitung und vermeintlicher Rechtfertigung von Terrormaßnahmen herangezogen werden. Politische und militärische Fronten verlaufen entlang von Konfessions- und Religionsgrenzen. Weltweit gibt es die Verbreitung von Furcht und Schrecken im Namen von Religion.

Tatsache ist jedenfalls, dass ein religiöser Fanatismus und Fundamentalismus Ängste verbreitet und die Völkergemeinschaften im Nahen Osten, Afrika, Asien und auch Europa in Gänze herausfordert. Wir haben es, so der Verfasser des vorliegenden Buches im Untertitel, „mit einer Konjunktur des Fundamentalismus“, einem der „charakteristischsten politischen Phänomene unserer Zeit“, zu tun. Die fundamentalistischen Vorstellungen in den verschiedenen Religionen ähneln sich sehr. Sie erheben einen Alleinvertretungsanspruch, nur ihre jeweilige religiöse Gottesvorstellung ist richtig, alle Aussagen ihrer Heiligen Bücher sind wahr. Ihre Vertreter zeigen sich als arrogant, sind von sich überzeugt, intolerant und fanatisch. In der Praxis sind Fundamentalisten jeglicher Couleur autoritär, sie verlangen totale Unterwerfung unter den Glauben und Gehorsam gegen ihre Autoritäten. Sie sind menschenverachtend, wenden sich gegen neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese Aufzählung ließe sich fortführen. Und indem sie vom Verfasser fortgeführt und behandelt wird, zeigt sich methodologisch der Schwierigkeitsgrad einer umfassenden Behandlung des Themas „Fundamentalismus“.

Um nun den Raum des Fundamentalismus auszuloten, begibt sich René Buchholz als ein wissenschaftlicher Grenzgänger auf die Spur, der sich im Grenzraum von Religionswissenschaft, Philosophie, Theologie, Soziologie und Politikwissenschaft bewegt, um in einer ersten Annäherung die Ursachen dieses „hässlichen Phänomens“ zu beschreiben, die Frage nach Begegnung und Begegnungsverweigerung zu stellen und den Versuch einer Definition von Fundamentalismus zu unternehmen. Dass Buchholz in der vorliegenden Untersuchung, angesichts der schon fast unübersichtlich sich darstellenden fundamentalistischen Strömungen, sich begrenzt auf die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum, Islam, ist in der Sache korrekt und wird vom Verfasser dem Leser hinreichend begründet.

Indem der Verfasser konkret nun nach der Geschichte, dem Ursprung, dem Wesen und der Ausformung des Fundamentalismus fragt, kommt er letztlich an dem Menschen selbst als Träger religiösen Bewusstseins und Tuns nicht vorbei. Und: Was im individuellen Bewusstsein geschieht, bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Religion und das Gottesverstehen und das Gottesverständnis. In diesem Kontext beleuchtet der Autor den „lächelnden“ Fundamentalismus kulturindustrieller Religiosität wie auch den „grimmigen“ Fundamentalismus mit seinen nihilistischen Implikationen und Konsequenzen.

Neben der soziologischen, politologischen und religionswissenschaftlichen Außensicht kommt bei dem Verfasser die theologisch-philosophische Innensicht, mit der selbstkritischen Reflexion von Kirche(n), Glaube und Fundamentalismus, nicht zu kurz. Deutlich benennt Buchholz die kirchlichen Verunsicherungen angesichts fundamentalistischer Gruppierungen.

In allen größeren Religionen der Welt ist der Fundamentalismus auf dem Vormarsch. Welche Korrekturen hier vorzunehmen sind, welche Alternativen und Wege möglich sind, das behandelt der Verfasser mit Blick auf die monotheistische Aufklärung und seiner ihm eigenen biblischen Genese und Aktualität. Man wird sich, so der Autor, als eine Antwort auf den heutigen Fundamentalismus verstärkt und erneut der radikalen Aufklärung erinnern müssen, die sich ausstreckt auf eine „Religion für Erwachsene“, die das Fragen, das Lernen und den Zweifel zulassen.

Der Fundamentalismus – das durchdenkt René Buchholz mit dieser seiner wissenschaftlichen Studie – hat ein sprichwörtlich ambivalentes Verhältnis zur Moderne. Und wo der Fundamentalismus an Raum gewinnt, anerkennt er nicht mehr die Grenzen zwischen Religion und Politik. Davor aber ist zu warnen. Aus der Feder ist dem „Warner“ Buchholz ein ganz wichtiges und wertvolles Buch entstanden, das – mit einer ausführlichen Bibliographie versehen – im Religionsunterricht und in Seminaren von Lehrenden und Lernenden mit Gewinn eingesetzt werden kann.

Würzburg: Echter Verlag. 2017
296 Seiten
19,90 €
ISBN 978-3-429-04354-4

 

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