Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ahmad Mansour: Klartext zur Integration

„Klartext zur Integration“, wer würde sich das in diesen unruhigen Zeiten nicht wünschen? Und Ahmad Mansour, arabischer Israeli, Diplompsychologe und seit Jahren in Berlin engagiert in der Arbeit mit radikalisierten Jugendlichen, gehört sicher zu den Experten in Deutschland, die wissen, wovon sie sprechen. In unzähligen Talkshows und anderen TV- und Podiumsauftritten warnt er vor der Gefahr eines gewaltbereiten Islam und den Lebenslügen einer falsch verstandenen Multikulti-Seligkeit. Dafür wurde er unter anderem mit dem Moses-Mendelsohn- und dem Carl-von-Osietzky-Preis ausgezeichnet.

Nach seinem Bestseller „Generation Allah“ (2015), der bereits ein ähnliches Thema hatte, will er nun also auf 303 Seiten etwas dazu beizutragen, dass wechselseitig sowohl freundliche wie auch unfreundliche Vorurteile über gewaltbereite Muslime und kalte wie geizige Deutsche, immer zwangsverheiratete Musliminnen oder Geflüchtete, die einfach nur Opfer und keinesfalls Täter sein können, abgebaut werden und für das Miteinander in Deutschland klare Regeln gelten: „Wir sollten voneinander verlangen, eine Gesellschaft von Demokraten zu sein, die Demokratie, Offenheit, Toleranz und Akzeptanz vermittelt und verteidigt.“ Außerdem sollen Unterschiede „nicht verurteilt, aber auch nicht zelebriert“ (10) werden.

Was das Buch lesenswert macht, sind die vielen lebendig erzählten Szenen aus seiner Arbeit mit radikalisierten (meist männlichen) Jugendlichen aus dem islamischen Kulturkreis und von erwachsenen Freunden mit Migrationsgeschichte. Man lernt hier viel über Zwänge und Zusammenhänge einer Kultur, die für uns weniger fremd als eher seit vielen Jahrzehnten vergangen ist. Paradoxerweise begegnen uns nämlich klar festgelegte Geschlechterrollen, eine ausgeprägte Ehrkultur und genaue Vorstellungen darüber, was „man“ oder „frau“ zu tun habe. Wir reisen mit dem Autor in das, was viele „die gute alte Zeit nennen“, in der Frauen von den Eltern verheiratet wurden und nach der Hochzeit zu Hause blieben, die Moderne in Deutschland noch nicht angekommen war und eine konservative Auslegung der (christlichen) Religion uneingeschränkt herrschte. Doch darüber hinaus erfährt man einiges darüber, wie aktiv werbende Salafisten bei den oft heimatlosen Jugendlichen heute genau bei dieser konservativen Form islamischer Religion ansetzen und sie so für den gewalttätigen Djihad werben. Insgesamt sind die authentischen Innenansichten des ehemaligen Salafisten Ahmad Mansour der stärkste Beitrag, den sein Buch zur Integrationsdebatte leistet. Daneben liest man so interessante Sätze wie diesen: „Teil einer Leitkultur sollte zum Beispiel nicht sein, einer Frau die Hand geben zu müssen. Es sollte darum gehen, eine Frau gleichberechtigt zu behandeln.“ (116) und „Der zweite Weltkrieg und die gesamte deutsche Geschichte haben mit jedem zu tun, der dieses Land als Heimat bezeichnet oder bezeichnen möchte.“ (122)

Ob der deutsche Staat mit inzwischen einer Vielfalt von wirksamen Antiextremismus- und Integrationsangeboten tatsächlich „völlig planlos“ dasteht und ob die extremen Situationen mit radikalisierten Jugendlichen, die Mansur erlebt und beschreibt, exemplarisch stehen können für „die Integration“, darf allerdings bezweifelt werden –und damit ist die Gefahr, dass er selbst zu den Vorurteilen, die er bekämpfen will, durch leicht missbrauchbare Beispiele beiträgt, nur schwer zu leugnen.

Das Buch verdient eine klare Leseempfehlung, es sollte aber eine kritische Lektüre sein, die andauernd die in uns allen lebendigen Vorurteile überprüft und aus den gewonnen Erkenntnissen nicht apokalyptische, sondern konstruktive Schlussfolgerungen für das Miteinander vor allem in unseren Schulen zieht. Sie sind der Ort, an dem Integration in den nächsten Jahren gelingt oder misslingt.

Gegen falsche Toleranz und Panikmache
Frankfurt: S. Fischer 2018
303 Seiten
20,00 €
ISBN 978-3-10-397387-7

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