Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Andreas Scheib: Philosophie für Theologen

Der Band ist weder eine allgemeine Einführung in die Philosophie mit einem spezifisch theologischen Zugang – einen solchen Zugang zum Handwerk des Philosophierens im Sinne einer Reduktion methodischer Standards kann und darf es, so Andreas Scheib, nicht geben – noch eine Einführung in eine bestimmte philosophische Disziplin, wie etwa in die Religionsphilosophie oder in die Philosophische Gotteslehre – ein Beweis für die Existenz Gottes, so der Verfasser, lässt sich philosophisch nicht führen. Aufgabe dieser Einführung ist es vielmehr, „zunächst an das Philosophische in der Theologie überhaupt heranzuführen, es zu identifizieren und dann, von hier aus, diejenigen Aspekte des Philosophierens sichtbar zu machen, die als Voraussetzung einer wissenschaftlich verfahrenden Theologie relevant sind“ (29). Es soll gezeigt werden, welche Relevanz die Philosophie für die Theologie als Wissenschaft immer schon besitzt. Es geht also nicht um die Rolle der Philosophie zur Sicherung der Grundlagen des Glaubens (natürliche Gotteserkenntnis, Glaubwürdigkeit der Offenbarung), sondern um die begrifflich-klärende Funktion, die der Philosophie bei der systematischen Entfaltung und Verdeutlichung zentraler Glaubensinhalte zukommt.

Zu diesem Zweck gibt Andreas Scheib eine historische wie auch systematische Darstellung „der materialen Seite klassischer metaphysischer Systeme, deren Einfluss auf das theologische Denken bedeutsam war und ist“ (29). Zukünftige Theologen sollen auf diese Weise dafür sensibilisiert werden, „dass der gesamte große Fundus theologischer Überzeugungen, Lehrmeinungen und Fragestellungen immer schon vollständig von Philosophie durchdrungen war und dass die zweitausendjährige Geschichte der christlichen Theologie von Anfang an eine Geschichte der gegenseitigen Beeinflussung beider Disziplinen ist“ (29).

Ausführlich werden die klassischen Metaphysikkonzeptionen des Platon und des Aristoteles, an deren Spitze jeweils der Gottesbegriff steht, behandelt. Sie sind im Hinblick auf ihre allgemeine Seinslehre, ihre Gotteslehre als auch im Hinblick auf ihre Anthropologie zentrale Bezugsquellen des Christentums in seinem Bemühen, sich vor dem Forum der natürlichen Vernunft zu rechtfertigen.

Im Anschluss daran zeichnet der Verfasser die christliche Adaptation der aristotelischen Metaphysik durch Thomas von Aquin nach: Er geht kurz auf die Gotteslehre des Aquinaten ein und widmet dann seiner Eucharistie-Lehre einen breiten Raum. Hier handelt es sich um „eines der zentralen Lehrstücke, an denen sich der unmittelbare Einfluss der aristotelischen Substanzmetaphysik deutlich erkennbar macht“ (67). Deutlich zeigt sich hier die Umformung eines zentralen metaphysischen Lehrinhalts (Akzidenzien implizieren notwendig die Substanzinhärenz, das inesse) im Hinblick auf ein Glaubensgeheimnis: Nach der Konsekration nehmen die Brot- und Weinakzidenzien eine substanzfreie Seinsweise an (sine subiecto); im sakramentalen Sein erhält Gott als Erstursache die Akzidenzien in ihrem Sein, nachdem er ihre Träger entfernt hat. Thomas‘ Beschreibungsmodell der Konsekration lässt sich „als metaphysisch-spekulative explicatio der geoffenbarten Glaubensannahme“ verstehen (85). Das philosophische Modell zeigt, wie dieses Geschehen widerspruchsfrei gedacht werden kann; die Annahme der Wandlung selbst ist und bleibt ein Glaubensakt.

Ebenfalls sehr ausführlich wird Descartes’ Angriff auf die aristotelische Schulphilosophie im Bereich der Epistemologie und Methodologie, sodann sein Angriff auf die aristotelische Substanzmetaphysik im Rahmen seiner naturalistischen Neufassung des Eucharistiegedankens dargestellt. Descartes gelingt es, „ein Beschreibungsmodell zu entwerfen, das sich als Beitrag der vollständig natürlich verfahrenden und säkularen philosophia prima präsentiert und eine Einbettung derjenigen Vorgänge, die nach katholischer Überzeugung im Rahmen der eucharistischen Wandlung stattfinden, in naturphilosophische Kontexte vornimmt“ (97). Für Descartes unterscheiden sich die Altargaben vor und nach der Konsekration nicht darin, „substanzfrei subsistierende Modifikationen von Quantität zu sein“; die cartesische Physik kennt keine Vielzahl individueller körperlicher Substanzen, „sondern nur eine kontinuierliche Gesamtsubstanz“ (103). Vielmehr liegt der Unterschied einzig darin, dass die Altargaben „durch die Konsekration eine dispositionelle Hinordnung von Leib und Blut auf den Geist Christi erfahren […] haben. Die Herstellung dieser Hinordnung ist die einzige Funktion des Konsekrationsvorgangs.“ (103) Die Konsekrationsworte bewirken, so die Überzeugung des Gläubigen, „dass der Geist Christi zu dem Materiequantum, das als Brot auf dem Altar liegt, in organisierenden Bezug tritt, ohne dass Christus das Brot zuvor verspeist“, die Einverleibung geschieht durch die Konsekration; an Stelle einer Transsubstantiation liegt eher eine „Transdisposition“ (105) vor. Das Beispiel der Eucharistie zeigt „die Abhängigkeit theologischer Modelle von den metaphysischen Rahmenvorstellungen, in denen sie formuliert werden“ (106).

Im Anschluss an den ausführlichen Descartes-Abschnitt geht der Verfasser kurz auf Kants „kritischen Idealismus“ sowie exemplarisch auf die neuere Metaphysikkritik (Nietzsche, Wittgenstein, Carnap) ein. Schließlich kommt noch der phänomenologische Ansatz (Husserl, Ricoeur) zur Sprache.

 

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 2015

164 Seiten

24,95 €

ISBN 978-3-534-26437-7

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