Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Anselm Schubert: Gott essen

„Gott essen“ lautet der merkwürdig anmutende Titel des vorliegenden Buches. Der Untertitel aber macht klar, dass es um eine „kulinarische Geschichte des Abendmahles“ gehen soll. Anselm Schubert, Professor für Neuere Kirchengeschichte, möchte „zwei denkbar weit entfernte Themengebiete“ (15) verbinden: die Geschichte des Abendmahls und die Kulinarik. Er will also einerseits die Hauptetappen der Eucharistielehre und -frömmigkeit (vor allem des lateinischen Christentums) darstellen, andererseits das Abendmahl von der „Food History“ her erschließen. Er versteht darunter nicht nur „die Geschichte der Alltagsspeisen und der Ernährung in der Antike, im europäischen Mittelalter und in der globalisierten Moderne, sondern auch die Mühen, die Menschen (sc. in einsamen Gegenden) auf sich genommen haben, um … unter widrigsten Umständen irgendetwas zu beschaffen, mit dem sie den zentralen Ritus ihrer Religion feiern konnten“ (15).

Der Verfasser beginnt mit der Entwicklung in den ersten Jahrhunderten. Er stellt heraus, dass die frühen Christen das Abendmahl zunächst mit Speisen gefeiert haben, die sie von zuhause mitgebracht haben. Wie für ihre heidnische Umgebung war auch für sie das „Symposium“, das gemeinsame kultische Mahl, die wichtigste Form gelebter Religion. Als die christlichen Gemeinden immer größer wurden, wurde das Herren- zunehmend vom Sättigungsmahl unterschieden (vgl. 31f). Es wurde nur noch mit Brot und Wein gefeiert. Es gibt aber Belege, in denen eine Vielzahl von Speisen eine entscheidende Rolle spielte. (Häretische) Sekten reichten Brot und Käse, Milch und Honig, Öl und Salz, Gemüse und Früchte (vgl. 37f). Eine Herausforderung ist und bleibt die Differenz zwischen Brot als „alltägliches Ausgangsprodukt“ (47) und seiner übernatürlichen Bedeutung, die immer wieder Zweifel hervorgerufen hat. Diese wurden thematisiert u.a. in eucharistischen Wundererzählungen. Diese lebten von dem „Plot, in dem sich ein (sc. von Ketzern, Ungläubigen oder auch Juden) missbrauchtes Stück Brot wider alle Erwartung und Augenschein schließlich doch als allmächtiger Gott erweist“ (100).

Als das Christentum Staatsreligion wurde, wurden nicht mehr die von den Gläubigen mitgebrachten Gaben verzehrt, sondern Brot und Wein von den Klerikern gestellt und im Namen der Kirche gespendet. „Aus dem Brot der Christen war ein Brot der Kirche geworden“ (13). Die Einführung der Oblatenhostien hatte zur Folge, dass diese kaum noch etwas mit dem ursprünglichen Brot zu tun hatten, sondern nur noch die Verkörperung einer abstrakten Idee von Brot war (vgl. 64). Auch der Laienkelch wurde nicht mehr gespendet.

Der Verfasser benennt zahlreiche Probleme beim Übergang des Christentums in die Welt der Germanen, die schließlich in den Abendmahlstreitigkeiten des Mittelalters gipfelten. Die Ehrfurcht vor der Eucharistie wurde damals so groß, dass die Menschen fast ganz auf die Teilnahme verzichteten. Sie beschränkten sich darauf, die Hostie in „sicherer“ Entfernung anzuschauen.

In der Zeit der Reformation war die Einführung des Laienkelches das Unterscheidungsmerkmal zur katholischen Kirche (vgl. 119). Die Frage, welches Brot zu verwenden sei, trennte seit 1066 nicht nur die Ost- von der Westkirche, sondern auch die Kirchen der Reformation: Die Calvinisten forderten als Zeichen der Abkehr vom Papsttum die Abschaffung der Hostie und die Rückkehr zum gesäuerten Brot, das Christus seinerzeit verwendet habe. Das Luthertum und die katholische Kirche blieben bei der Hostie aus Weizenmehl. Wieder einmal war „aus dem Brot der Kirche … das Brot des eigenen Bekenntnis geworden, das sich vom Glauben der anderen abgrenzte“ (13).

Ein durchgängiges Problem war die Frage, wie man Eucharistie an den „Rändern des Christentums“ feiern soll, also dort, wo Brot und Wein unbekannt oder schwer zu beschaffen waren. Der Verfasser stellt heraus, dass man das Abendmahl an den Grenzen Europas noch lange mit den Nahrungsmitteln gefeiert hat, die zur Verfügung standen: Wasser, Gerste, Bier in Skandinavien oder Reis und Palmwein in Südostasien. Auf katholischer Seite hat das Konzil von Trient mit solchen Kompromissen und Experimenten Schluss gemacht. Im Zuge der Kolonisation und Mission wurden Hostien aus Weizenmehl und Wein aus Traubensaft schließlich in die letzten Weltgegenden der europäischen Kolonialreiche gebracht. Es gibt zurzeit aber in vielen Kirchen außerhalb Europas eine „Gegenbewegung“: Sie lehnt im Zeichen des Postkolonianismus die Tradition von Wein und Weizen als westliches Diktat ab, fordert die Verwendung heimischer Speisen und Getränke und ist der Ansicht, dass „ortsübliche Nahrungsmittel und Getränke“ das Abendmahl besser ausdrücken können.

Alles in allem lässt sich festhalten: Der Verfasser zeichnet nicht nur die Streitigkeiten nach, was in der Kirche als Leib Christi gegessen und getrunken werden durfte: Käse, Fisch und Gemüse? Milch, Saft und Wasser? Roter oder weißer Wein? Er kommt auf Unsicherheiten zu sprechen, die sich in der Neuzeit noch vermehrt haben: Ist der Einzelkelch nicht hygienischer? Geht es auch alkohol- und glutenfrei? Er bietet eine Reihe von bekannten Einsichten, aber auch von neuen, vor allem aus dem Bereich der „Food history“. Mir ist bei der Lektüre aufgegangen, wie das, was für mich so vertraut und selbstverständlich ist, im Laufe der Zeit gewachsen ist. Ich freue mich mit dem Verfasser, dass viele Kirchen weltweit dabei sind, „die historische Trennung von Gemeinschaftsmahl und Herrenmahl wieder aufzuheben“ (14). Ich teile sein Plädoyer für eine Inkulturation des Christentums, tue mich persönlich aber schwer mit seiner Vision, dass „das Bild einer Weizenoblate und eines Kelches mit Wein, das im kulturellen Gedächtnis für den christlichen Kult schlechthin steht, … sich auf lange Sicht als eine Episode der Geschichte erweisen wird“ (15).

Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls
München: C.H.Beck Verlag. 2018
271 Seiten mit s-w Abb.
24,95 €
ISBN 978-3-406-70055-2

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