Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Antonia Leugers: Literatur – Gender – Konfession

Auf den im Eulenfisch Literatur 2_2019 bereits besprochenen ersten Band zu „Literatur – Gender – Konfession“, der sich Forschungsperspektiven zum Thema „Katholische Schriftstellerinnen“ widmete, folgt nun Band 2 mit Analysen und Ergebnissen. Die monografische Studie von Antonia Leugers zu deutschsprachigen Romanen, Novellen und Erzählungen „Katholischer“ Schriftstellerinnen bestätigt betont vorsichtig die Annahme aus Band 1, dass einerseits traditionelle Weiblichkeitsentwürfe und -zuschreibungen fortgeschrieben würden, andererseits aber auch ein Spiel mit variablen Weiblichkeitskonzepten im historischen Wandel zu beobachten sei. Vorrangige Analysemethode ist die genderorientierte Erzähltextanalyse mit dem geschichtswissenschaftlichen Fokus auf historische Wandlungsprozesse.

Neben einer Einleitung, die nochmals das bereichernde Methodenspektrum des bereits in Bd. 1 von der Autorin präsentierten Forschungsdesiderats bereithält, folgt der zweite Band der Zweiteilung in Analysen und Ergebnisse. Unter Ergebnisse fallen neben den Analyseergebnissen des vorliegenden Bandes auch Resultate, die sich aus den Beiträgen des ersten Bandes ergeben haben und sich grob in zwei Kategorien unterteilen lassen: 1) Die Werke katholischer Schriftstellerinnen können als „Seismographen“ für katholische Weiblichkeit gelten, wobei die Schriftstellerinnen 2) ihrerseits als Produkte und Produzentinnen katholischer Weiblichkeit wahrzunehmen sind. In Spiegelung traditionell katholischer Merkmale von „Weiblichkeit“, wie etwa die natürlich komplementäre Zweigeschlechtlichkeit, die Unterordnung der Frau, das Verbot von Scheidung und Wiederheirat sowie katholische Kindererziehung und Frömmigkeitspraxis, wird in dieser dem Selbstverständnis nach interdisziplinären „Pilotstudie“ (17) danach gefragt, ob sich aus der analysierten Literatur ein Wandel von oder ein Beharren auf traditionell katholischen (Geschlechter)Normierungen ablesen lässt.

Die Analyse erfolgt chronologisch und sinnvoll geordnet nach bestimmten Themenschwerpunkten und Kategorien wie Menschen mit Behinderung, Kriegs- und Verfolgungserfahrungen sowie Feindbildzuschreibungen. Neben dem Geschlecht spielen zudem weitere identitätsstiftende Differenzierungsmarker wie Nationalität, gesellschaftlicher Status, Bildungsstand, Alter, religiöse Zugehörigkeit und Gesundheitszustand der Protagonistinnen und Protagonisten eine Rolle. Die Analysen folgen einer klaren Struktur, legen den Inhalt der Werke umfassend dar und halten wichtige Erkenntnisse des jeweiligen Buches in einem zwar mitunter recht knapp gehaltenen und doch aussagekräftigen Fazit fest. Dabei sind die Romananalysen alles andere als langwierige und trockene Aneinanderreihungen von Daten, sondern vielmehr lebendige und einnehmende „Narrationen“, die die Lektüre zu einem kurzweiligen Erlebnis machen. Die mittig in den Analyseband eingefügten Buchcover-Abbildungen der besprochenen Bücher lassen die Beschreibungen anschaulich werden und sind selbst als Zeugnisse von Geschlechterkonstruktionen zu werten, die einer eingehenderen Betrachtung wert sind.

Bezogen auf den Religionsunterricht und die religiöse Erwachsenenbildung liegt hier ein wertvolles Nachschlagewerk mit einer Bandbreite unterschiedlichster Romananalysen vor, die anhand eines umfassenden Methodenrepertoires ein breites Bild der hohen Variabilität an Weiblichkeitsentwürfen seit dem späten 19. Jahrhundert bereithält. Angesichts der Neuerungen in den curricularen Standards des Religionsunterrichts, in dem heute speziell nach der Rolle von Mädchen und Frauen gefragt und das Lernen an Alltagsbiografien in den Vordergrund gestellt wird, können Band 1 und Band 2 als wichtige Inspirationsquellen von Lehrkräften genutzt werden. Es bleibt zu hoffen, dass den beiden Bänden weitere folgen, die das Forschungsdesiderat Literatur – Gender – Konfession noch um Weiblichkeits- und Männlichkeitsentwürfe auch in anderen Konfessionen erweitern und komplettieren würden. Denn Literatur ist, so das scharfsichtige abschließende Urteil Leugers, Spiegel eines biographischen Erfahrungsraums und ein Experimentierfeld mit Grenzüberschreitungs- und Enthierarchisierungspotenzial. Literarische Entwürfe müssten noch deutlicher als „Zeichen der Zeit“ von Kirche und Gesellschaft wahrgenommen werden, da sie zum Dialog mit traditionellen Rollenzuschreibungen geradezu herausfordern.

Katholische Schriftstellerinnen
Band 2 Analysen und Ergebnisse
Regensburg: Friedrich Pustet Verlag. 2020
288 Seiten m. farb. Abb.
34,95 €
ISBN 978-3-7917-3151-3

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