Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Arnold Benz / Samuel: Vollenweider Würfelt Gott?

Der Frage, was Physik und Theologie einander zu sagen haben, gehen der Astrophysiker Arnold Benz und der Neutestamentler Samuel Vollenweider in der Neuauflage eines bereits im Jahr 2000 erschienen „Sachbuch[s] im Gewand einer Science-fiction-story“ nach. Nun ist die Fragestellung nicht neu und in jüngster Zeit in vielen Büchern und Abhandlungen, die auf aktuelle theologische wie naturwissenschaftliche Beiträge referieren können, aufgegriffen worden. Insofern mag man zunächst kritisch anfragen, ob sich die Auseinandersetzung mit der Neuauflage eines 15 Jahre alten Diskussionsbeitrages lohnt, die überdies mit wenigen inhaltlichen Änderungen gegenüber der Ersterscheinung daherkommt. Ich will meine Meinung hierzu vorwegnehmen: Es lohnt sich!
 
Die Autoren wagen in ihrem Buch die Verflechtung verschiedenster Erzählformen. Den erzählerischen Rahmen bildet das science-fiction-hafte Szenario im fernen System des Planeten Saturn. Aus Sicht eines fiktiven Expertengremiums werden die Gespräche, Tagebuchsequenzen, Berichte und Logbucheintragungen zweier Astronauten – eines Astrophysikers und eines humanwissenschaftlich ausgebildeten Theologen, der als Kommunikationsspezialist fungiert – kommentiert und erläuternd dargestellt. Klassische Science-Fiction-Elemente treffen in dieser Anordnung auf poetische Texte, philosophische Dialoge und wissenschaftliche Abhandlungen. Die für den Leser mitunter etwas mühevolle Verflechtung all dieser Erzählformen ermöglicht es den Autoren, den Haupttext der Erzählung – das fiktive Gespräch der beiden Astronauten – eindrucksvoll zu erweitern und zu bereichern. Die poetischen Textstücke verdichten und transformieren die engagiert und kenntnisreich geführten philosophischen Debatten, in denen die Astronauten theologische und wissenschaftliche Gedankengänge und Perspektiven ins Feld führen. Die eingefügten Kommentierungen und handbuchwissenschaftlichen Expertenmeinungen helfen, das Gespräch der Astronauten zu verorten, relativieren deren Standpunkte und weisen auf verschiedene Deutungsschulen in Theologie und Naturwissenschaft hin. Die vorgetragenen theologischen und naturwissenschaftlichen Standpunkte erfahren durch diese erzählerische Konstruktion eine Thesenhaftigkeit, die ihnen sehr gut zu Gesicht steht.
 
Die weltraumfahrenden Abenteurer fassen sich in ihren Streitgesprächen nicht gerade mit Samthandschuhen an, machen auf vermeintliche Fehlschlüsse und Übergriffigkeiten aufmerksam und lassen so mal den Theologen, mal den Physiker als Naivling erscheinen. Nicht immer gelingt es, in dieser Gegenüberstellung den Eindruck einer gewissen theologischen Deutungshoheit auszuräumen – und dennoch dringen Benz und Vollenweider tief vor auf den gemeinsamen und vielfach verschränkten Grund religiöser und wissenschaftlicher Weltanschauung und vermögen den Reichtum aufzuzeigen, der sich den unterschiedlichen Perspektiven verdankt. Zu den besonders gelungenen Passagen gehören die Dialoge der Protagonisten über die Sprache der Bilder und Modelle. Hier entfalten die Autoren die Bedeutsamkeit einer religiösen Weltdeutung, die auf Gebrauch und Missbrauch von Bildern in den Naturwissenschaften aufmerksam machen kann und Deutungskompetenz in diesen Kontext einzubringen in der Lage ist.
 
Die Erzählung von Benz und Vollenweider schließt endlich mit einem Drama im Weltraum – ein Ende, wie es sich für eine Science-fiction-Story gehört und über das es in einer Rezension zu schweigen gilt, um nicht das Lesevergnügen zu schmälern!

Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2015
279 Seiten mit s-w Abb.
19,95 €
ISBN 978-3-8367-0009-2

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