Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Barbara Stühlmeyer / Karl Braun: Das Turiner Grabtuch

Konfrontation erfordert Mut. Das Grabtuch kann keine Fälschung sein. Und was nicht sein kann, das darf auch nicht sein, so könnte man hier von der Hildegard-Spezialistin Barbara Stühlmeyer und dem emeritierten Erzbischof von Bamberg Karl Braun eingeforderten „Mut“ übersetzen. Grabtuch- und Schleierliteratur gibt es inzwischen zuhauf, und wenn diese nicht im Verschwörungsmilieu anzusiedeln sind, dann gehen sie im Wesentlichen von der gleichen frommen Prämisse aus, die auch die beiden Autoren gesetzt haben: Das Turiner Grabtuch ist das authentische Grabtuch Jesu Christi. So werden die nicht neuen Anfragen an die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen schlicht und einfach neu aneinandergereiht und in der Art von Michael Hesemann oder Paul Badde gewertet: Was im einen Moment noch eine Hypothese oder auch nur Anfrage ist, ist bereits im nächsten zu einem Faktum mutiert, auf dem weitere Spekulationen aufbauen können. Es geht inhaltlich um die Dreidimensionalität der Abdrucks, Pflanzenfasern, evtl. Münzenabdrücke, die Webart, den Weg des Tuches „von Jerusalem“, das Grabtuch als Urbild der westlichen Christusikonographie u.v.m.

Dass es sich hierbei im eigentlichen Sinne um eine persönliche Suche der Autoren und nicht um ein wissenschaftliches Buch handelt, bezeugen die für die Diskussion völlig unerheblichen Einstreuungen über u.a. Carlo Borromeo, Paul Gerhardt und Theresia von Lisieux oder auch Abschnitte des Buches, die mehr einer Frömmigkeitsübung gleichen. Mag die Frankfurter Allgemeine Zeitung die qualitativ nicht hochwertigen, unzureichend beschrifteten und im Zusammenhang fast sinnlos erscheinenden Abbildungen hervorgehoben haben – der größte Vorwurf an die Autoren dürfte tatsächlich derjenigen sein, sich und ihrer Profession keinen Gefallen getan zu haben, indem sie die Genres Wissenschaft und Andacht in dieser Art und Weise vermischten. Die Grabtuchfrömmigkeit kann nicht ohne wissenschaftliche Präzision auskommen – und man ist geneigt zu sagen, dass Benedikt XVI. mit der Bezeichnung als „mit Blut gemalte Ikone“ einen sehr glücklichen und zutreffenden Ausdruck gefunden hat.

Faszination und Fakten
Kevelaer: Butzon & Bercker Verlag. 2018
255 Seiten m. s-w u. farb. Abb.
20,00 €
ISBN 978-3-7666-2534-2

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