Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Bernhard Maier: Die Bekehrung der Welt

Der Tübinger Religionswissenschaftler Bernhard Maier hat eine umfassende Missionsgeschichte seit dem 15. Jahrhundert vorgelegt. Allein das Literaturverzeichnis umfasst 53 Seiten!

Die Studie beginnt mit einer knappen Darstellung der Ausbreitung des Christentums in Antike und Mittelalter, geographisch gegliedert, aber immer in der Spannung zwischen „Bekämpfung und Aneignung fremder Religionen“ (22). In zwölf Kapiteln schreitet der Autor dann die Großregionen der Missionierung ab: Lateinamerika und die Karibik, Nordamerika, Indien, Japan, China, die Philippinen und die pazifische Inselwelt, den hohen Norden Europas, Asiens und Amerikas, den Vorderen Orient und Afrika. Einen besonderen Blick richtet er auf Indien, Japan und China im 19. und 20. Jahrhundert. Dabei werden einige Gemeinsamkeiten und Besonderheiten herausgestellt:

  1. Mission ist ein überkonfessionelles Phänomen. Die Ausbreitung des Christentums vollzieht sich nicht nur durch katholische Missionare, sondern auch durch protestantische Geistliche unterschiedlicher Konfessionen. Diese stehen in Konkurrenz zueinander; Ökumene findet nicht statt.
  2. Die Missionare vermitteln den christlichen Glauben in europäischer Prägung, sind aber um die Kenntnis einheimischer Sprachen bemüht. Missionare sind vielfach die Ersten, die Wörterbücher und Grammatiken produzieren und sich um die Hebung des kulturellen Erbes bemühen.
  3. Mission und Politik gehören eng zusammen. Der Kolonialismus des 16. bis 18. Jahrhunderts und der Imperialismus des 19. und 20. Jahrhunderts sind nicht ohne die Kooperation von Staaten und Kirche(n) zu verstehen. Manches dunkle Erbe muss noch gehoben und aufgearbeitet werden.
  4. Mission ist keine reine Erfolgsgeschichte. Sie wurde ausgebremst durch die einheimischen Religionsdiener und politischen Machthaber, im Fall der katholischen Mission aber auch durch Missionskonkurrenz der Orden und die leidige Frage, wie weit der christliche Glaube sich inkulturieren könne und dürfe.
  5. Missionare vermittelten ihre Erfahrungen in die europäische Heimat. Erlebnisberichte, naturwissenschaftliche und medizinische Studien machten die Missionare zu „Kulturvermittlern“ (175).
  6. Die christliche Mission förderte auch religiöse Reformen und Neugründungen in den Regionen. Das betrifft etwa den Islam, den Hinduismus sowie die japanischen und chinesischen Religionstraditionen. Das „Weltparlament der Religionen“ (Chicago 1893) und die Theosophische Gesellschaft werden von Maier exemplarisch genannt.

So unterschiedlich Religionswissenschaft heute betrieben wird – von einem bewusst ungläubigen Zugang bis zur Verankerung an theologischen Fakultäten –, so sehr fasziniert die christliche Mission, wenn sie im Film präsentiert oder in Museen ausgestellt wird. Wie mit dem kolonialen Erbe im Zeitalter der globalen Entkolonialisierung umzugehen ist, lässt Maier offen. Dabei müssen auch die unterschiedlichen Empfindlichkeiten in den unabhängig gewordenen ehemaligen Missionsländern Berücksichtigung finden.

Eine Geschichte der christlichen Mission in der Neuzeit
München: C.H. Beck Verlag. 2021

448 Seiten m. s-w Abb.
32,00 €
ISBN 978-3-406-77443-0

Zurück