Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Bernward Schmidt: Kleine Geschichte des Ersten Vatikanischen Konzils

Die gegenwärtigen Diskussionen um Macht und Machtentflechtung in der Kirche sind ohne die Geschichte des 19. Jahrhunderts und besonders des Ersten Vatikanischen Konzils nicht zu verstehen. Es ist eine Geschichte der beständigen Erweiterung der dogmatischen und rechtlichen Position von Papst und Kurie, gipfelnd in den Dogmen von der päpstlichen Unfehlbarkeit und dem Jurisdiktionsprimat des Bischofs von Rom.

Bernward Schmidt, seit kurzem Lehrstuhlinhaber für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Katholischen Universität Eichstätt, stellt das Konzil in den Kontext der theologischen Fragen des 19. Jahrhunderts im Streit zwischen verschiedenen „Schulen“. Die ultramontane Richtung setzte sich ab der Jahrhundertmitte durch. Dem durch die italienische Einigung bedrängten Kirchenstaat wurde die päpstliche Monarchie als Bollwerk gegen die „Zeitirrtümer“ entgegengesetzt. Pius IX. führte diese Politik seines Vorgängers Gregor XVI. fort, besonders durch die Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis Marias und den Syllabus von 1864. Die Pläne für ein Konzil nahmen ab Mitte der 1860er Jahre konkrete Gestalt an.

Der Verfasser beschreibt detailliert die Arbeiten des Konzils, die unabgeschlossenen Diskussionen und die Konzentration auf das Thema der Unfehlbarkeit des Papstes. Er kann sich dabei auf die wegweisenden Studien von Klaus Schatz stützen. Es gelingt ihm, die einander unversöhnlich gegenüberstehenden Positionen der Majorität und der Minorität zu verdeutlichen. Andere Themen gerieten demgegenüber schnell in den Hintergrund. Nach ausführlichen Spezialdebatten wurde schließlich buchstäblich unter Blitz und Donner die Konstitution „Pastor aeternus“ verabschiedet. Die Minoritätsbischöfe waren zu einem großen Teil vorher abgereist.

Bernward Schmidt weiß um die mediale Wirkung dieses Konzils und die Nachwirkungen. Die Interpretationen und die praktische Ausübung der Unfehlbarkeit schienen eher der Minorität Recht zu geben. Unmittelbare Folgen waren die Abspaltung der Altkatholiken in Deutschland und der Schweiz sowie der Kulturkampf in Preußen und im Deutschen Reich. Doch die Diskussionen darüber, was eine unfehlbare Entscheidung sei, gehen bis heute weiter. Schmidt erinnert dabei an Hans Küng.

Der Autor schließt seine Studie mit Reflexionen zum Stellenwert des Ersten Vatikanums. Er differenziert die Aussagen, es sei ein unfreies Konzil gewesen, mit dem Hinweis auf die straffe Amtsführung der Päpste des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er mahnt an, die Arbeiten des Ersten auch in Kontinuität mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu sehen. Immer wieder müsse diskutiert werden, „was zum unveränderlichen Bestand des Glaubens gehört und was sinnvoll verändert werden kann bzw. sollte. Dies aber geschieht am besten in dem offenen und wertschätzenden Diskurs, den die Väter des Ersten Vatikanischen Konzils nie geführt haben“ (53). Und das gilt bis heute – nicht zuletzt für die Diskussionen des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland.

Freiburg: Herder Verlag. 2019
376 Seiten m. s-w Abb.
38,00 €
ISBN 978-3-451-38430-1

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