Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Celalettin Kartal: Deutsche Yeziden

Die brutale Verfolgung der Yesiden durch das islamistische Terrorregime IS in Syrien und Irak hat diese religiöse Gemeinschaft einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland etwas bekannt gemacht. Doch wer sind die „Yesiden“?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Im Deutschen gibt es zunächst keine einheitliche Schreibweise: Jesiden oder Yeziden oder Ezidi oder Yesiden oder Yezidi. Der Forschungsstand zu dieser „Religionsgemeinschaft“, „Religionskultur“, „Volk“, „Ethnie“, „Religion“ ist uneinheitlich und divers.

Das renommierte Oxford-Lexikon der Weltreligionen erläutert unter dem Stichwort „Yezidis“: „eine religiöse Gemeinschaft, die unter den Kurden des Irak, der Türkei, Syriens, Deutschlands, Armeniens und Georgiens verbreitet ist. Ihren Kern bildete eine muslimische Sufi-Bruderschaft, die im Irak durch den arabischen Sayh Adi b. Musafir (ca. 1075-1162), einen Nachkommen der Umayyaden-Kalifen gegründet worden war. Im 14./15. Jahrhundert entstand daraus eine eigenständige Religion und wurde von mehreren halbunabhängigen kurdischen Stämmen angenommen. Die Expansion des Osmanischen Reiches und die daran anschließenden Verfolgungen verursachten massive Übertritte zum Islam. (…). Das besondere Merkmal der Religion – ein monotheistischer Glaube, der viele jüdische, christliche und muslimische Traditionen übernommen hat – ist der Glaube, dass der wegen seines Ungehorsams gefallene Engel Lucifer von Gott begnadigt wurde und dass diejenigen, die ihn verehren, die Auserwählten der Menschheit sind. (…) Der Glaube an die Seelenwanderung (im schlechten Fall wandern sie in Tiere) spiegelt äußere Einflüsse wider. Den Yezidis ist es verboten, den Begriff Satan zu benutzen. (…) Die Yezidis, die bis vor kurzem illiterat waren, beziehen sich bei ihrem religiösen Erbe auf mündliche Traditionen.“

Es ist das Verdienst des Autors Celalettin Kartal, den vorläufigen Wissensbestand zu den Yeziden (ich folge dieser Schreibweise) in seinem Buch von Anfang 2016 „Deutsche Yeziden“ ausführlich zusammengetragen zu haben. Über sich selbst schreibt der Autor am Ende seines Buches: „Celalettin Kartal ist in der Türkei geboren. Mit 14 Jahren kam er in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist seit 1993 eingebürgert. Im September 2001 wurde er zum Dr. jur. promoviert. Sieben Jahre hat er an der Universität als Lehrbeauftragter gelehrt. Kartal ist spezialisiert auf Forschungsbereiche wie z. B. Islam, Menschenrechte, Integration sowie Eziden.“

Kartal stellt die Geschichte und Gegenwart der Yeziden ausführlich vor. Rund 50 000 sollen in Deutschland leben. Der Verfasser benennt folgende Charakteristika dieser Religion:

  • Yeziden glauben an einen Gott und seinen „Chefengel“ (Tawisi Melek) sowie sechs weitere Engel.
  • Es gibt für die Yeziden keine „negative Macht“ (Satan, Teufel, Hölle).
  • Yeziden glauben an die Seelenwanderung und jede/r Yezide muss sich einen „Jenseitsbruder“ aussuchen.
  • Als Yezide wird man in eine Kaste/Schicht hineingeboren und darf nur innerhalb dieser Gruppe heiraten.
  • Der Glaube der Yeziden findet sich wieder in Traditionen, Geschichten, Hymnen, Gebeten, Legenden, d.h. in oral überlieferten Texten.
  • Jeder Yezide sollte einmal im Leben eine Pilger- bzw. Wallfahrt nach Lalish unternehmen.
  • Hohe Werte des Yezidentums sind: Pazifismus, Respekt, Ehrlichkeit, Wahrheit, Toleranz, Gleichheit und Gerechtigkeit.
  • Das Yezidentum ist nicht missionarisch, kennt keinen Fanatismus und erhebt keine Absolutheitsansprüche.

Kartal diskutiert die Zukunftschancen des Yezidentums: „Als Religionsgemeinschaft, die auf oraler Tradition fußt, müssen sie sich neu erfinden, wenn sie in der westlich liberal-säkularen Gesellschaft überleben wollen.“ (11) Dazu macht Kartal Reformvorschläge: Reduktion der Kasten auf zwei und dann deren Auflösung und damit einhergehend die Auflösung der Heiratsregeln; Öffnung des Yezidentums nach außen und die Entwicklung einer verbindlichen modernen Theologie mit dem Ziel, ein Buch für alle Yeziden zu erarbeiten.

Fazit: Obwohl Celalettin Kartal sich unzureichend zu seiner Person und zur Herkunft seines Wissens über die Yeziden äußert, sich in seinen Darlegungen wiederholt, immer wieder vage verbleibt und nur Andeutungen macht, ist sein Buch zu empfehlen. Die recht unbekannte Religionsgemeinschaft der Yeziden wird hier ausführlich vorgestellt und Kartal gelingt es, kenntnisreich den Lesenden mit den Yeziden vertraut zu machen.

 

Religionen aktuell 17

Marburg: Tectum Verlag. 2016

149 Seiten

19,95 Euro

ISBN 978-3-8288-3676-1

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