Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christine Büchner / Gerrit Spallek (Hg.): Auf den Punkt gebracht

 Der erste Blick in das Inhaltsverzeichnis enttäuscht. Der Leser, der nach Gott Ausschau hält, nach Jesus Christus und Reich Gottes, nach Bibel, Ostern und Erlösung, wird diese Grundworte des christlichen Glaubens nicht finden. Dabei hält er ein Buch in den Händen, das im Untertitel „Grundbegriffe der Theologie“ verspricht. Was er hingegen findet, ist „Geschlecht“, „Macht“ oder „Sinn“. Im Abschnitt „Zur Auswahl der Begriffe“ kann der Leser, mit einem Verweis auf Peter Eicher, den Herausgeber des vierbändigen Standardwerkes „Theologische Grundbegriffe“ (Neuausgabe 2005), erfahren, dass solche Grundbegriffe sich eher an den „Diskursen ihrer Zeit“ orientieren und weniger „eine Schublade für die Einordnung längst bekannten Wissens“ darstellen. Der Leser erfährt ebenfalls, dass das theologische Grundwort schlechthin, Gott, in der vorliegenden Sammlung fehle, weil sich Gott naturgemäß nicht auf den Punkt bringen lasse, das aber die Zielsetzung des Werkes sei: wesentliche theologische Begriffe punktgenau zu erklären. Freilich sei Gott „schon immer in den anderen Begriffen ‚drin‘“.

So belehrt, schlägt der Leser etwa in der Mitte des Werkes auf, dort wo der Dominikanerpater und Direktor des Institut M.-Dominique Chenu in Berlin, Ulrich Engel, „Körper/Leib/Fleisch“ erklärt. Gerne würde er die im klassischen theologischen Diskurs so wesentliche Unterscheidung zwischen Körper und Leib neu kennenlernen. Aber dem Leser wird eine Enttäuschung nicht erspart, vielleicht ein Umdenken zugemutet. Nicht nur die Seele, so Ulrich Engel, wurde traditionell in ein dualistisches Verhältnis zum Körper gebracht. Der Rede vom Leib wohne diese „platonische“ Gefahr inne, werde der Leib doch häufig als das „eigentlich“ Menschliche, das den Menschen Auszeichnende, betrachtet: „Wo eine solche Hierarchisierung Platz greift, ist der Weg zu einer neuerlichen Abwertung des Materiellen nicht mehr weit.“ Von diesem kritischen Ansatz aus wendet sich der Autor der – nicht nur kirchlichen – Kontroverse um „Sex und gender“ zu, anschließend Fragen der „LGBT“-Vielfalt (= „Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender), schließlich dem frappierenden Gedanken der Verbindung zwischen Jesu „verschwundenem Körper“ und dem „Corpus der heiligen Schriften“. Der Leser staunt, fremdelt ein wenig und hat den Eindruck, dass es zumindest hier weniger um die Entfaltung eines theologischen Grundbegriffes geht als um die Darstellung eines gegenwärtigen Diskussionsstandes, eines „Diskurses“.

Gespannt nimmt er sich das darauffolgende Stichwort „Liebe“ vor, das von Markus Lersch (Marburg) und Joachim Negel (Freiburg in der Schweiz) erarbeitet wurde. Die Autoren gehen klassisch und im besten Sinne des Wortes informativ vor. Sie erarbeiten knapp, aber tatsächlich „punktgenau“ den biblischen Befund und seine antiken Parallelen und Divergenzen; sie zeigen religionsphilosophisch die untrennbare Verknüpfung zwischen Agape, Philia und Eros auf, weisen dann auf das christliche Spezifikum, die Trinitätstheologie, hin: „Man sieht hier erneut, wie vom Christusereignis her die traditionellen Gottesvorstellungen von Griechen- und Judentum in ein neues Gravitationsfeld geraten.“ Hinweise auf ethische Konsequenzen und weitere genuin christliche Inspirationen („An Jesus wird deutlich: Je mehr der Mensch sich aus Gott schöpft, umso freier wird er.“) ergänzen diesen nachhaltigen Artikel.

Das Stichwort „Welt“, vom Mitherausgeber Gerrit Spallek (Hamburg) erarbeitet, enthält Inspirierendes über die kaum aufzulösende Spannung zwischen einer nicht akzeptablen Weltflucht, gar Weltverachtung, und der besinnungslosen Akzeptanz einer Welt, die aller Erfahrung nach „nicht in Ordnung“ ist. Dabei ist das Angebot der jüdisch-christlichen Schöpfungstheologie, die Welt als Geschenk anzunehmen, nur vordergründig selbstverständlich und das ursprünglich so kontrovers diskutierte „Entweltlichungs“-Konzept von Papst Benedikt XVI. alles andere als „erledigt“.

Die Sammlung von 20 theologischen Begriffen, die von „Dialog“ und „Freiheit“ über „Offenbarung“ und „Opfer“ bis „Wahrheit“ und „Welt“ reicht, ist lesbar und bereichernd, freilich eher für Studierende denn „Schüler“ zu empfehlen. Mögen dem interessierten Leser etliche Ausführungen eher zeitgeistig denn grundlegend vorkommen, so kann dies doch zum Weiterdenken führen.

Grundbegriffe der Theologie
Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag. 2017
286 Seiten
20,00 €
ISBN 978-3-78673119-1

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