Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christoph Böttigheimer: Sinn(losigkeit) des Bittgebets

Wie lässt sich das Bittgebet vor der Vernunft verantworten? Diese fundamentaltheologische Frage umkreist der renommierte Theologe, Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, in seinem gut strukturierten, sprachlich klaren und aspektreichen Buch.

Vorwort (9-14) und Hinführung (15-36) verorten die Bedeutung des Gebets im Zentrum des Glaubens. Die Überlegungen zum Bittgebet stehen nämlich im Kontext der Frage nach dem Weltbezug Gottes und seinem Handeln; von Anfang an wird so die enge Relation zur Gottesfrage thematisiert.

Der Zusammenhang zwischen Reflexionen über Gott und verschiedenen Aspekten des Bittgebets prägt den Aufbau der folgenden Darstellung. Die vier übersichtlichen, anspruchsvollen, aber flüssig lesbaren Kapitel sind jeweils in Anfragen und Antwortversuche unterteilt und beinhalten: Zuhören Gottes (37-70), Handeln Gottes (71-106), Wille Gottes (107-132) und Affizierung Gottes (133-162). Das Schlusswort (162-168) bietet einen zusammenfassenden Überblick über die Argumentation. Der Autor formuliert, wie schon an anderen Stellen des Buches, offene Fragen.

In Modifikation des personalen Theismus müsse das Nicht-Personsein Gottes betont werden, von dem aber in Anknüpfung an die biblische Tradition Personales ausgesagt werden könne. Der Rekurs auf den Panentheismus hebe die strikte Trennung von Welt und Gott auf und nehme dessen immanente Transzendenz ernst: „Gott ist mitten im Leben jenseitig.“ Dietrich Bonhoeffers Einsicht wird zustimmend angeführt. So sei die personale Dimension Gottes gewahrt, aber vor einem allzu affirmativen Anthropomorphismus geschützt. Als die transpersonale Wirklichkeit in allem höre Gott die Gebete und Bitten der Menschen. Das Gebet sei Einswerden mit Gott, dem Wirklichkeitsgrund.

Gottes Handeln dürfe nicht interventionistisch verstanden werden, das sich in Welt und Geschichte mechanisch-kausal vollziehe. Dadurch, dass eine solche Auffassung als obsolet betrachtet werden müsse, ergebe sich die Frage nach einem adäquaten Verständnis der Eigenschaften Gottes. Unveränderlichkeit, Allgüte und Allwissen müssten über die klassische Metaphysik hinaus mit Bezug auf die Offenbarungsgeschichte neu und anders in den Blick kommen. Denn in der jüdisch-christlichen Glaubensgeschichte zeige sich ein Gott, der von den Bitten affiziert werde, selbst mitleidensfähig sei und Menschen auch durch deren Bitten in die Heilsgeschichte einbinde.

Als zwei freie Handlungssubjekte kommunizierten und interagierten Gott und Mensch. Deshalb könne die Zukunft von Gott weder vorhergesehen noch determiniert werden. Dennoch sei diese nicht völlig offen, sonst würde die von Gott inspirierte und bewirkte christliche Vollendungshoffnung fragwürdig.

Am Ende dränge sich allerdings die Frage auf, warum sich Gott so sehr bitten lasse und sich so verborgen halte. Solche Fragen offen- und auszuhalten, Unglaube, Skepsis und Klage in das Bittgebet zu integrieren, könnten zu einem reiferen Glauben beitragen.

Jedes einzelne Kapitel des Buches beinhaltet vielfältige Denkanstöße. Deshalb kann jedes für sich Gegenstand eines Glaubensgesprächs sein. Vertiefende Hinweise bietet das ausführliche Literaturverzeichnis. Dem Autor gelingt ein bewegendes, dialogisches Buch, das über die Reflexion hinaus zur Betrachtung des Bittgebets anregt.

Auf der Suche nach einer rationalen Verantwortung
Freiburg: Herder Verlag. 2018
181 Seiten
20,00 €
ISBN 978-3-451-382789

Zurück