Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Clauß Peter Sajak (Hg.): Feste feiern

Jahreszeiten – Mahlzeiten – Lebenszeiten
Sekundarstufen I und II

Das vorliegende Heft „Feste feiern“ ist das zweite der auf vier Themen angelegten Reihe, die besonders gelungene Projekte aus dem Schulenwettbewerb „Trialog der Kulturen“ der Herbert-Quandt-Stiftung vorstellt. Der Schulenwettbewerb hat sich zum Ziel gesetzt, den Trialog der drei abrahamischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) zu fördern. 

Die in diesem Heft vorgestellten Projekte widmen sich alle dem trialogischen Lernen über die den drei Religionen jeweils eigenen „heiligen“ Zeiten bzw. Speisevorschriften. Sie sind kulturell religiöser Ausdruck des Selbstverständnisses von Religionsgemeinschaften. Die Projekte werden zur Nachahmung empfohlen, weil sie beispielhaft zeigen, wie interkulturelles und trialogisches Lernen angeregt werden kann, das Schülerinnen und Schüler interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen erwerben lässt. 

Nach einer Einführung zum Schulenwettbewerb und zur Heftreihe werden Kompetenzstandards für das trialogische Lernen vorgestellt. Im Anschluss daran stellen fachtheologische Experten aus Judentum, Christentum und Islam die zentralen jahreszyklisch wiederkehrenden Festzeiten, Feiertage und Fastenzeiten ihrer Religionsgemeinschaften und ihre religiös theologischen Bedeutungen, lebensgeschichtlich bedeutsame Festtage wie Taufe oder Beschneidung sowie religionsspezifische Speisevorschriften vor. Alle drei Beiträge enthalten religionspädagogische Ausblicke.

Den fachwissenschaftlichen Basisinformationen schließen sich die ausgewählten Praxisbeispiele an. Drei Bausteine – differenziert nach den Themenschwerpunkten Jahreszeiten, Mahlzeiten, Lebenszeiten, jeweils eingeleitet mit Kompetenzbeschreibungen – beschreiben in differenzierter Weise die durchgeführten Projekte mit ihren fächerübergreifenden Vernetzungen, ihrer curricularen Verortung und unter besonderer Berücksichtigung der religiösen und weltanschaulichen Heterogenität von Lerngruppen. Zudem wird auf mögliche „Risiken und Nebenwirkungen“ bei der praktischen Umsetzung der einzelnen Bausteine aufmerksam gemacht, die es zu vermeiden gilt. Über die Projektbausteine hinaus werden „ergänzende Ideen“ und „Projektvarianten“ vorgestellt. Ein umfangreicher Materialteil liefert konkrete Unterstützung zur Projektnachahmung. Neben Schülerinformationen, Arbeitsaufträgen und Fragebögen lassen sich dort Übersichtsblätter zu den Jahresfestkreisen in Judentum, Christentum und Islam finden. Die einzelnen Praxisbeispiele sind an der Matzenbergschule Pirmasens (Förderschule), der Emil-Fischer-Schule Berlin (Oberstufenzentrum für Ernährung und Lebensmitteltechnik) und den Kaufmännischen Schulen Marburg entwickelt und durchgeführt worden. – Das Heft ist zusätzlich mit einem hilfreichen Glossar der wichtigsten Begriffe für den Trialog der Religionen sowie nützlichen Literaturempfehlungen zum trialogischen Lernen ausgestattet.

Dieses Themenheft zeigt in vorzüglicher Weise, wie allgemeine Ziele interkulturellen und interreligiösen Lernens operationalisiert werden können. Überzeugend sind hier nicht nur die anregenden Projektbeispiele, sondern auch das in diesem Heft sich zeigende Gesamtverständnis und -konzept trialogischen Lernens, das auf Neugier und Dialogfähigkeit und -willigkeit der Lernenden setzt bei gleichzeitigem Respekt vor der unhintergehbaren Differenz zwischen den drei abrahamischen Religionen. Dieser Respekt wird besonders daran deutlich, dass entschieden davon abgeraten wird, liturgische Feiern durch Mitvollzug performativ zu erschließen. Stattdessen wird als „weiterführende Idee“ das Projekt „Liturgische Gastfreundschaft“ vorgestellt und empfohlen. Dass Schülerinnen und Schüler dabei zur „teilnehmenden Beobachtung“ aufgefordert und angeleitet werden, einer Methode der Ethnologie, überzeugt nicht, ja, scheint mir im Blick auf das anvisierte Ziel des Respekts geradezu kontraindiziert zu sein. Hier ließe man sich besser von Clifford Geertz’ Methode der „dichten Beschreibung“ didaktisch und methodisch anregen. Bedauerlich ist es, dass ein religionswissenschaftlicher Beitrag, anders als im ersten Heft, nicht aufgenommen ist. Bei der Umschlaggestaltung, Darstellung einer Kalenderübersicht mit einem christlichen und einem jüdischen Festtagseintrag, hätte man einen islamischen Festtag berücksichtigen sollen.

Erfreulich ist es, dass hier Beispiele aus dem Förderschulbereich und dem der berufsbildenden Schulen vorgestellt werden. Sie sind so angelegt, dass interessierte Lehrerinnen und Lehrer aller Schulstufen und unterschiedlicher Schulformen ihnen nicht nur hilfreiche Anregungen für die eigene Praxis, sondern auch religionspädagogisch didaktische Grundlagen und Perspektiven für das eigene Bemühen um interkulturelles und interreligiöses Lernen in Schule und Unterricht entnehmen können. Das ermöglichen nicht zuletzt die Beiträge des Herausgebers, Clauß Peter Sajak, und die Einzelbeiträge von Julian Chaim Soussan (jüdisch), Klaus König (christlich) und Naciye Kamcili-Yildiz (muslimisch). 

Das zweite Heft gibt Grund zu der Vermutung, dass die Reihe hält, was das erste Heft versprach, konstruktive Anregungen für die Praxis eines trialogischen Lernens zu geben und damit zur Entwicklung einer interkulturellen und interreligiösen Lehr-Lern-Kultur in Schule und Unterricht anzustiften.

Lernen im Trialog Heft 2
Paderborn: Schöningh Verlag. 2013
99 Seiten
16,95 €
ISBN 978-3-14-053651-6

 

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