Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Edmund Schlink: Die Vision des Papstes

Ein evangelischer Theologe schreibt eine Erzählung, in der er seine Erlebnisse als Beobachter des II. Vatikanischen Konzils (1963-1965) verarbeitet und die er zehn Jahre nach dem Konzil unter einem Pseudonym veröffentlicht. Auf diese Geschichte wird – 50 Jahre nach dem Konzil und zwei Jahre vor dem Höhepunkt der Lutherdekade unter dem Namen des Autors Edmund Schlink (1903-1984) – noch einmal durch eine Neuausgabe – ergänzt um Vor- und Nachworte prominenter Freunde des Autors (Karl Lehmann, Klaus Engelhardt, Horst Schlitter) – aufmerksam gemacht. Zu Recht?

Der Plot der Geschichte könnte funktionieren: Ein Papst versucht nach überstandener Krankheit und bestärkt durch drei Visionen mit aller Macht, die Einheit der getrennten Kirchen herzustellen. Doch der Text einer geplanten Enzyklika wird verfälscht, der Papst betrogen, die Enzyklika unterbleibt. Der Papst reist inkognito nach Israel und nimmt dort spontan am Abendmahl der orthodoxen und der lutherischen Kirche teil. Zurückgekehrt forciert er die Einladung der christlichen Kirchen zu einem Pfingsttreffen auf der Insel Patmos, das zur Initialzündung der Vereinigung wird. Man könnte sich mit der Figur dieses Papstes identifizieren und gespannt sein, wie es weitergeht.

Edmund Schlink schreibt allerdings in einer Predigt- und Theologensprache; es geht um „Berücksichtigung“ aller möglichen Einwendungen und Vermeidung möglicher „Missverständnisse“. Die Personen der Erzählung erhalten keine Namen, Charakterzüge oder Biografien; sie fungieren als Statisten und Stichwortgeber, um die Reflexionen des Papstes zu gliedern. Die Biografie des ebenfalls namenlosen Papstes ist zu stimmig für eine spannende Romanfigur. Den Orten der Geschichte – abgesehen vielleicht von der symbolisch ausgedeuteten Grabeskirche – schenkt der Autor nur wenig Aufmerksamkeit.

Es handelt sich also nicht um belletristische Literatur, sondern um einen erzählerischen Rahmen für die Reflexionen und Wünsche eines Theologen, um den Ausdruck der Frustration eines evangelischen Beobachters der katholischen Kirche zur Zeit des Konzils und der Zeit danach. Über diese Zusammenhänge erfährt man einiges in Schlitters Nachwort. Mit Männern wie Papst Johannes XXIII. und Kardinal Augustinus Bea wäre ein Aufeinanderzugehen der Kirchen vorstellbar, diagnostiziert Schlink, würden nicht kuriale Betonköpfe vom Schlage Kardinal Alfredo Ottavianis diese Bemühungen hintertreiben. Wer auf Christus schaut, kann aber doch nicht mit kleinlichen Differenzen in Dogmatik und Rechtsauffassung die Aufrechterhaltung von Grenzen (zum Beispiel die Verweigerung der Abendmahlsgemeinschaft) in der Christenheit rechtfertigen.

Schlink wollte den „Bremsern“ in der römischen Kurie in Gestalt eines engelgleichen Papstes den Spiegel vorhalten – selbstverständlich ohne jede Dämonisierung. Die Frage, wie es in der Ökumene weitergehen kann, ist damit nicht beantwortet.

 

Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2015

174 Seiten

14,95 €

ISBN 978-3-8367-0005-4

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