Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Egbert Ballhorn / Simone Horstmann (Hg.): Theologie verstehen

Die Auslegung des apostolischen Glaubensbekenntnisses ist eine Aufgabe, der sich die Theologie seit Entstehung dieses für die christliche Identität so zentralen Textes immer wieder zugewandt hat. In diese Auslegungstradition reiht sich der vorliegende Band – ein Kondensat des am Dortmunder Institut für Katholische Theologie durchgeführten Theologischen Grundkurses – mit einer ganz spezifischen Zielsetzung und Gestaltgebung ein: Das Vorhaben richtet sich auf nichts weniger als auf eine grundlegende Einführung ins Theologiestudium (oder allgemeiner: in eine intensivierte Befassung mit der akademischen Theologie), die sich in der Auseinandersetzung mit dem Text des apostolischen Credos und im Zusammenspiel von Statements aus allen Disziplinen der Theologie entfaltet.

Dieses Profil gibt bereits den Rahmen für die in der Realisierung des Vorhabens berührten Einzelthemen vor; der thematische Bogen erstreckt sich dabei von einer praktisch-theologischen Grundlagenreflexion zum Glaubensbegriff über Ausführungen zum biblischen Gottesbild, einer Deutung von „Schöpfung als Berufung“ (54), Überlegungen zur Historizität Jesu von Nazareth zu einem biblisch fundierten Erlösungsverständnis und zu Funktion, Bedeutung sowie Sitz im Leben von Glaubensbekenntnissen durch die Kirchengeschichte hindurch bis hin zur Skizze einer aktuell vermittelbaren Soteriologie und einer moraltheologisch interessierten Lesart des Credos. Eine Würdigung der konstitutiv-unhintergehbaren Geschichtlichkeit von Theologie und Glaube, Reflexionen zur Bedeutung des Credos für die Initiierung von Lernprozessen, hermeneutischen Grundsatzüberlegungen zur Eschatologie und Beiträge zu einer zeitgemäßen Ekklesiologie sowie zur Bedeutung der Pneumatologie für den Religionsunterricht schließen das breit gespannte inhaltliche Panorama des Bandes ab.

Dieses thematische Spektrum bezeugt klar die im Dortmunder Theologischen Grundkurs praktizierte (und keineswegs unübliche) Beteiligung der verschiedenen theologischen Disziplinen am Einführungskurs. Seltener und daher einer gesonderten Hervorhebung wert ist hingegen die Tatsache, dass diese interdisziplinäre Ausrichtung sich nicht in der sukzessiven Abfolge der verschiedenen thematischen Kontributionen erschöpft, sondern einen direkten Dialog zwischen den beteiligten Fachvertreterinnen und -vertretern in Form von kritischen Zwischenrufen zu den entfalteten Überlegungen anderer einschließt. Dieser direkte interdisziplinäre Dialog stellt – bedauerlicherweise! – nach wie vor eine Seltenheit in der Theologie dar, und zwar in der schriftlichen Produktion ebenso wie in unterrichtspraktischen Settings.

Über diesen Aspekt hinaus wartet der Band mit einigen formalen Besonderheiten auf: Zu erwähnen sind nicht nur die jedem Kapitel vorangestellten Angaben zu Kompetenzzielen, die grafische Hervorhebung von Begriffsklärungen und Zentralaussagen sowie die durchgehend dargebotenen Hinweise zur vertiefenden Lektüre, sondern auch eine Reihe von „Intermezzi“, die in persönlicher Ansprache an die Rezipienten und in unmittelbarer Auseinandersetzung mit dem Text des apostolischen Credos ein hermeneutisches Grundlagenprogramm entfalten. Damit prägt den vorliegenden Band eine stark aufgelockerte Weise der Textdarbietung, die Studienanfängern einen Einstieg in die Lektüre akademischer Texte durchaus erleichtern dürfte.

Auf der inhaltlichen Ebene entspricht diesem formalen Grundzug ein gezieltes und durchgehend feststellbares Aufgreifen von Korrelationsmöglichkeiten, die einen Bezug der anvisierten theologischen Aussagen zur Lebenswelt des Rezipientenkreises zu eröffnen imstande sein dürften. Das Anliegen des Bandes richtet sich – wesentlich unter Anerkennung der Bedeutung von Geschichten und Geschichtlichkeit für die Theologie – auf die Stärkung hermeneutischer Kompetenzen: Studierende sollen zu Beginn ihrer Befassung mit der wissenschaftlichen Theologie zu einer kritisch hinterfragenden und kontextsensiblen Textaneignung angeregt und damit schließlich selbst zur gelingenden Anleitung und Gestaltung von Rezeptionsvorgängen befähigt werden (ohne dass dabei ein radikalkonstruktivistischer Zugang verfolgt würde). Im Letzten geht es darum, zur Stärkung einer theologischen Sprach- und Verantwortungsbefähigung beizutragen.

Freilich: Wie es bei einem Buch dieser Länge, das sich die Auslegung des Credos zum Gegenstand macht, gar nicht anders sein kann, haben die einzelnen Beiträge den Charakter punktueller Schlaglichter; sie sind durchaus diskrepant, richten sich teils auf konkrete Einzelaspekte und teils auf hermeneutische Metafragen, sind teils stark in einer Disziplin verortet und teils disziplinübergreifenden Fragestellungen gewidmet. Bei aller Singularität der behandelten Gegenstände gewinnen die Ausführungen aber doch jeweils daraus eine Repräsentativität, dass sie anhand der Befassung mit zentralen Fragen prinzipielle Aspekte der jeweiligen Fragerichtung und Denkweise einer theologischen Disziplin exemplarisch deutlich werden lassen. Und selbst wenn die Explizierung vieler dieser Spezifika der Beobachtung der Rezipienten überlassen bleibt, so zeichnet sich der Dortmunder Grundkurs durch eine besondere Leistung aus: Das Anliegen der Grundlegung einer theologischen Hermeneutik zieht sich durch den ganzen Kurs wie ein roter Faden hindurch, und damit entsteht ein Modell, das eine für die Gattung der interdisziplinären Einführung überdurchschnittliche Geschlossenheit aufweist.

Lernen mit dem Credo
UTB 5037
Paderborn: Ferdinand Schöningh 2019
224 Seiten
19,99 €
ISBN 978-3-8252-5037-9

Zurück