Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Erhard Holze / Stefanie Pfister: 100 Rechtsfragen zu Religionsunterricht und Schule

Der Religionsunterricht ist durch Art. 7 GG abgesichert. Als einziges Schulfach ist er somit auf höchster verfassungsrechtlicher Ebene angesiedelt. Neben dieser rechtlichen Verankerung im Grundgesetz ist der Religionsunterricht auch in den Landesverfassungen und Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer rechtlich ausgestaltet. All dies führt dazu, dass sich zum Religionsunterricht viele rechtliche Fragestellungen ergeben. Es ist sinnvoll und hilfreich, dass das Autorenteam diesen Fragestellungen nachgegangen ist und sowohl aus rechtlicher als auch aus religionspädagogischer Sicht Antworten gegeben hat. Das Autorenteam beleuchtet vor allem die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, wo es beheimatet ist; das ist nachvollziehbar.

Dieses Buch ist allen zu empfehlen, die sich mit dem Religionsunterricht und den rechtlichen Fragestellungen dazu beschäftigen wollen. Allerdings ist dabei immer zu bedenken, dass es in anderen Bundesländern als NRW auch abweichende Regelungen geben kann. Für Hessen gibt es in diesem Zusammenhang die Website www.religionsunterricht-hessen.de, die sich mit den Fragestellungen rund um den Religionsunterricht befasst. Die ausgewählte Literatur verweist u.a. auf das Handbuch zum Schulrecht von 2010 und auf Informationen zum Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen von 2013. Dieses erscheint etwas veraltet, denn gerade zum Religionsunterricht gab es in neuerer Zeit einige wichtige rechtliche Entwicklungen.

Auch in Hessen gibt es – wie auf Seite 24 angeführt – die Möglichkeit, dass Schülerinnen und Schüler, die gar keiner Religionsgemeinschaft angehören, am regulären (d.h. evangelischen oder katholischen) Religionsunterricht teilnehmen können, sofern sie bzw. die Eltern es wünschen. In Hessen kommt hinzu, dass die Religionsgemeinschaft dem zustimmen muss (Ziff. VI Nr. 1 Satz 3 RU-Erlass).

Zu der an verschiedenen Stellen aufgeworfenen Frage des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichtes bzw. der gemischt-konfessionellen Lerngruppen (so etwa: 22 oben erster Absatz, 25 erster Absatz, 26 f) ist für Hessen anzumerken, dass seit 1999 gemischt-konfessionelle Lerngruppen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind (Ziff. VII RU-Erlass). Die Begrifflichkeit „religionsübergreifender Religionsunterricht“ (30 f) schafft zunächst einen falschen Eindruck, denn es handelt sich, wie im Text dann zutreffend ausgeführt wird, schulrechtlich um einen Unterricht der Religionsgemeinschaft, der die unterrichtende Lehrkraft angehört.

Bei der auf Seite 70 dargestellten Rechtslage muss für Hessen hinzugefügt werden, dass der/die konfessionslose Schüler/in zwar zwischen Religionsunterricht und Ethik wählen kann, die Religionsgemeinschaft der Teilnahme aber zustimmen muss.

Zur rechtlichen Beurteilung zur Abmeldung vom und Rückkehr zum Religionsunterricht (67) besteht in Hessen die Regelung, dass die Abmeldung vom Religionsunterricht nur am Ende eines Schulhalbjahres erfolgen soll (Ziff. VI Nr. 2 Satz 4).

Die angeführten Rechtsbeispiele zum Islamischen Religionsunterricht (85 ff) greifen ein sehr aktuelles Thema auf. Ein Hauptproblem dieser schwierigen Thematik besteht darin, dass der Staat einen Kooperationspartner und Ansprechpartner für den Religionsunterricht benötigt und dass das hierzu erforderliche Merkmal der Religionsgemeinschaft von islamischen Verbänden erfüllt sein müsste. Das vorgestellte Beiratsmodell (90 f) ist kein Religionsunterricht im Sinne des RU, weil es an dem Vorliegen einer Religionsgemeinschaft mangelt.

Das Autorenteam hält eine Gesichtsverschleierung von einer muslimischen Schülerin nicht grundsätzlich für unzulässig, sondern es sei zu prüfen und nachzuweisen, dass eine pädagogische notwendige Kommunikation tatsächlich nicht gewährleistet ist (96 ff). Diese Auffassung halte ich für nicht nachvollziehbar. Die bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage ist im Ergebnis eindeutig. „Das Begehren der jeweiligen Schulleitungen, die Schülerinnen mögen die Vollverschleierung ablegen, erwies sich als rechtmäßig, da das Grundrecht der Schülerinnen aus Art. 4 Abs. 1 + 2 GG durch das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen (Art. 7 Abs. 1 GG) beschränkt werde.“ (Markus Schulten, Religiöse Kleidung und Symbolik als Rechtsproblem, 2018, Münster: Aschendorff Verlag, 57)

Der Anmerkung zur Inklusion und Konfessionalität „Argumentativ kann dem Ansinnen entgegnet werden, dass im Religionsunterricht – insbesondere im evangelischen – die Schülerinnen und Schüler anderer Konfessionen und Religion jederzeit willkommen sind.“ (111) ist entgegenzuhalten, dass jedenfalls in Hessen für beide Religionsunterrichte gilt, dass immer die Religionsgemeinschaft ihre Zustimmung erteilen muss (Ziff. VI Abs. 1 Satz 3).

Bei den Beispielfällen sticht ins Auge, dass Verbote und Pflichten häufig von katholischer Seite ausgesprochen werden (Beispiele etwa 171, 198, 201). Interessant wäre in diesem Zusammenhang zu wissen, ob es sich um tatsächlich Fälle aus der Praxis oder um fiktive Sachverhalte handelt.

Konkret, juristisch, kompetent
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Verlage, 2019
212 Seiten, kartoniert
14,99 €
ISBN 978-3-525-70252-9

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