Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Georg Langenhorst: Kinder brauchen Religion

Orientierung für Erziehung und Bildung

In der heutigen Zeit ist die Rechtfertigung religiöser Erziehung schwieriger geworden, denn Kinder und Jugendliche können auch ohne Religion gut leben. Warum sie Religion trotzdem „brauchen“ und wie Eltern, Erziehende und Unterrichtende Religion erschließen und vermitteln können, damit befasst sich Georg Langenhorst in „Kinder brauchen Religion“. Das Buch gliedert sich in 6 Teile, eine ausführlichen Hinführung (Religiöses Leben heute und morgen), und vier Kapitel, in denen Grundelemente religiösen Lernens beleuchtet werden (die Erfahrung von Gott, Jesus, Be-Geisterung und Gemeinschaft) und schließlich ein Kapitel über den Religionsunterricht.

Religion ist nach Langenhorst unverzichtbar, denn sie stellt ein System zur Verfügung, das Antworten setzt, Perspektiven vorgibt, Handlungsimpulse enthält, sei es im Blick auf das spirituelle, rituelle, gesellschaftliche, moralische oder politische Verhalten und Handeln. Erwachsene müssen Kindern und Jugendlichen gemäß ihrem Alter und Entwicklungsstand – durch bruchfreie Erzählungen für Kinder, krisenhafte und doppeldeutige für Jugendliche – ermöglichen, sich in diesem Rahmen zu entwickeln.

Im Christentum, das den Menschen als von Gott angenommen betrachtet, zeigen die Taufe (als erster Zuspruch durch die Verleihung des Namens), die Seligpreisungen (als Zuspruch ohne Vorbedingung) und das Wissen um die eigene Erlösung, die Langenhorst hier sehr neuzeitlich begreift, auch Kindern, dass sie Gott „brauchen“. Erwachsene sollen durch Verlässlichkeit (der Sprache, der Symbole und Rituale, der Regeln, der Personen, der Zeiten und Orte) und durch die Betonung der Besonderheit (der Geschichten, der Gesten und Rituale, der Handlungen und Begegnungen) Raum für Gotteserfahrung schaffen.

Dass Kinder Jesus „brauchen“, wird über Narration (der Geburtsgeschichte, der Taufe, der Wunder, der Gleichnisse, der Passion, der Oster- und Pfingstberichte), das Vaterunser (mit Lob, Dank, Bitte und Klage), das Gebot sozialen Handelns durch Empathie, die Eucharistie und das Handeln in der Nachfolge Christi z.B. durch die Heiligen gezeigt.

Da der Heilige Geist v.a. Kinder und Jugendliche vor Herausforderungen stellt, schlägt der Autor die Arbeit mit Bildern vor, um etwa die Trinität zu verstehen. Symbole und Sakramente sind ein weiteres Thema dieses Kapitels. Hier bezieht er Stellung, indem er fordert, Buße und Beichte neu zu bewerten und bei der Firmung als „verschenktem Sakrament“ Änderungen bezüglich des Zeitpunkts (entweder vor der Erstkommunion oder im späten Jugendalter) und entsprechend der Durchführung (z.B. Verzicht auf die unangemessene Rede der Mündigkeitserklärung) vorzunehmen.

Um Glaube in der Gemeinschaft leben zu können, appelliert Langenhorst abermals an die Eltern, ihre Vorbildfunktion wahrzunehmen, Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen und sie unter Wahrung ihrer Bedürfnisse in den religiösen Alltag einzubinden. Das Kirchenjahr – als „kluges System, das eine gute Balance zwischen Warte- und Erfüllungszeit herstellt“ – sollte bewusst begangen werden (entgegen etwa der Vorverlegung der Festzeit an Weihnachten und Ostern und der Entkleidung dieser Feste ihrer Bedeutung). Auch das interreligiöse Lernen des Wahrnehmens, Deutens und Begegnens hat hier seinen Ort.

Im schulischen Religionsunterricht sieht der Verfasser die Chance zur religiösen Bildung und Sensibilisierung – und zwar nicht im katechetischen Sinn. Abgesehen von der Verankerung im Grundgesetz sprechen kulturgeschichtliche und religionskulturelle (Christentum als Gestalter von Kultur, Zusammenleben), anthropologische (Behandlung von Grundfragen des Lebens) sowie gesellschaftliche (Kirche als gesellschaftsgestaltende Kraft) Gründe für einen solchen Unterricht. Trotz bekannter Kritikpunkte befürwortet Langenhorst die Korrelationsdidaktik als erstes und die Performation, das Vertrautmachen mit Formen gelebten Glaubens, als zweites Grundprinzip des Religionsunterrichts. So fordert er einen RU, der kompetenzvermittelnd, korrelativ, performativ, identitätsermöglichend, dialogisch ist und von authentischen Lehrkräfte erteilt wird.

Das Inhaltsverzeichnis ist erfreulich ausführlich, die Kapitel sind nochmals in Unterpunkte unterteilt. Wichtige oder zusammenfassende Aspekte sind optisch gekennzeichnet. Am Ende folgt ein Literaturverzeichnis. Ein Schlagwortverzeichnis, das man sich wegen der Vielschichtigkeit und der Nennung vieler Personen und Schlagworte in den Kapiteln manchmal gewünscht hätte, fehlt allerdings.

Das Buch bietet viele Fakten, erklärt gut und argumentiert dicht; seine Stärke sind die aktuellen Bezüge zur Alltagswelt und die realistische Einschätzung der Lage, die so manche Umorientierung fordert. Es liefert viele Anregungen, v.a. aus der zeitgenössischen Literatur. Einige Leser ohne theologische Vorbildung wird das Buch herausfordern, was aber nicht von der lohnenswerten Lektüre abschrecken sollte.

Freiburg: Herder Verlag. 2014
208 Seiten
16,99 €
ISBN 978-451-32746-9

 

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