Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Georg Langenhorst: Toter Regens – Guter Regens

Krimis dominieren die Abendprogramme des Fernsehens und die Auslagen der Buchhandlungen. Sie gewinnen ihre Attraktivität aus dem aufzuklärenden Fall und aus dem kulturellen oder sozialen Umfeld, in dem die Handlung angesiedelt ist. Was liegt für einen Theologen, der sich als Krimiautor erproben möchte, näher, als das ihm vertraute Kirchenmilieu zur Bühne seines Romans zu wählen? Georg Langenhorst ist Professor für Praktische Theologie und ein ausgewiesener Fachmann für Themen im Überschneidungsbereich von Literatur und Theologie. Im vorliegenden Buch wechselt er die Rolle: der Interpret wird zum Autor, der Wissenschaftler zum Erzähler.

Tatort ist das Priesterseminar einer süddeutschen Bischofsstadt „Friedensberg“. Dort wird an einem Montagmorgen der angesehene und als künftiger Weihbischof gehandelte Regens Dr. Norbert Görtler in seinem Dienstzimmer tot aufgefunden. Klar ist, dass er erschlagen wurde, aber sonst geben die Indizien am Tatort kaum etwas her. Die Kriminalbeamten Kellert und Thiele müssen im Kirchenmilieu der Diözese ermitteln; und da dieses Umfeld den beiden Männern ebenso fremd ist wie vielen Lesern des Romans, gestaltet sich die Suche nach dem Mörder zu einer Expedition ins Innenleben der Kirche. Wir begegnen dem Führungstriumvirat eines Priesterseminars mit seinen exotischen Amtsbezeichnungen: dem (toten) Regens, dem Subregens und dem Spiritual. Natürlich wird auch das heterogene Klientel dieses Seminars, die Alumnen, aufgefordert, das Ihre zur Lösung des Falles beizutragen. Dabei kommen die Motivationen des Priesternachwuchses und der Priestermangel in den Blick und wie dem angesichts der bestehenden dogmatischen und kirchenrechtlichen Hürden beizukommen ist. Die Suche nach dem Mörder führt die Polizisten in die Verwaltungszentrale des Bistums, ins Generalvikariat zu einem einflussreichen und ebenfalls auf seine Ernennung zum Weihbischof spekulierenden Domkapitular mit kirchenpolitisch anderen Vorstellungen, als sie der eher liberale, aber grundsatztreue Regens vertreten hat. Ihre Recherche führt die beiden Polizisten weiterhin in Außenposten der Kirche, in die Katholisch-Theologische Fakultät, in ein Benediktinerinnenkloster und in ein Alten- und Pflegeheim für Priester. Dort begegnen sie ehemaligen Geistlichen, die aus der Hierarchie herausgefallen sind, weil sie des Kindesmissbrauchs überführt wurden oder weil sie geheiratet haben. Sie leben in prekären Verhältnissen und ihr Schicksal bietet Anlass, über den Zölibat und über das Eherecht der Kirche, vor allem über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zu räsonieren. Auf diese Weise entsteht ein Panorama der katholischen Kirchenwelt mit ihren Einrichtungen und ihrem geistlichen Führungspersonal. Auch die Laien gehören dazu, die in kritischer Solidarität oder mit Befremden auf diese eigentümliche Welt blicken, die aber alles andere als ein monolithischer Meinungsblock und eine feste Burg ist.

Die Vielfalt aktueller kirchlicher Themen, die hier zur Sprache kommen, mindert nicht die Spannung der Kriminalhandlung. Diese bleibt bis zum Schluss erhalten, weil sich die Themen aus dem Handlungsverlauf wie selbstverständlich ergeben und nicht künstlich aufgesetzt sind. Natürlich sind bei einem so literaturerfahrenen Autor wie Georg Langenhorst der Handlungsaufbau überlegt, die Charakteristik der Personen glaubhaft, die Milieuschilderungen zutreffend und die Sprache einem Unterhaltungsroman angemessen, leserbezogen, aber nicht anbiedernd und ganz ohne Häme. Als Leser, der das Milieu kennt, darf man sagen, dass dem Verfasser im Gewand eines Kriminalromans eine um Gerechtigkeit bemühte, mehrperspektivische und realitätsnahe Darstellung des kirchlichen Lebens am Beispiel einer Diözese gelungen ist.

Eine marginale Kritik zum Schluss: Der Titel „Toter Regens − Guter Regens“ mag zwar Aufmerksamkeit erregen, ist aber abgegriffen. Die Häufigkeit, mit der Straßen und Einrichtungen nach bedeutenden Theologen des 20. Jahrhunderts benannt sind, scheint mir selbst für eine katholischen Bischofsstadt übertrieben.

Mord im Priesterseminar
Kriminalroman

Würzburg: Echter Verlag. 2017
279 Seiten
14,90 €
ISBN 978-3-429-04370-4

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