Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Georg Langenhorst: Trialogische Religionspädagogik

Interreligiöses Lernen zwischen Judentum, Christentum und Islam

Als Abbild und Transformator der Gesellschaft sind unsere Schulen von den aktuellen interkulturellen und interreligiösen Herausforderungen besonders betroffen. Das Ringen um Akzeptanz und Toleranz, um das Wertschätzen in aller Unterschiedlichkeit sowie die respektvolle Auseinandersetzung mit dem Fremden sind für ein konfliktfreies Zusammenleben unabdingbar. Von daher ist der „interreligiöse und interkulturelle Dialog […] eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt“, wie Papst Benedikt im Rahmen des Weltjugendtages 2005 betont.

Zur Förderung dieses Dialogs hat sich in den letzten Jahren das interreligiöse Lernen als fester Bestandteil in Religionspädagogik und Religionsdidaktik, in Lehr- und Bildungsplänen sowie in Schulbüchern etabliert. An dieses überkommene breite Lernfeld schließt der Augsburger Religionspädagoge Georg Langenhorst an, eröffnet aber zugleich neue Perspektiven einer tiefergehenden interreligiösen Verständigung in Praxis und Theorie. Er zeigt, dass interreligiöses Lernen in unserem Kulturkontext in erster Linie die Begegnung mit dem nahen Fremden bedeutet, d.h. mit den abrahamischen Geschwisterreligionen, die den Eingottglauben teilen: Judentum und Islam. Mit dieser Einsicht entfaltet der Autor Profil, Programm und Reichweite eines trialogischen Lernens und verdeutlicht durch den Blick auf ausgewählte Praxisfelder, welcher Gewinn durch die Beachtung dieses Prinzips erzielt wird.

Konkret umfasst die avisierte trialogische Religionspädagogik zunächst das wissenschaftliche Feld der Wahrnehmung, Analyse, Konzeptionalisierung und Rezeptionsforschung interreligiöser Lernprozesse. Positiv ist bei der vorgelegten recht umsichtigen Umsetzung hervorzuheben, dass der Autor auch systematische Fragestellungen wie die notwendige Reflexion der Begriffe Wahrheit und Dialog einbezieht, zugleich aber immer wieder die Praxistauglichkeit bestimmter Methoden und Prinzipien wie z.B. des „authentischen Begegnungslernens“ für den schulischen Kontext in den Blick nimmt. Am Ende konturiert er so kein neues Fach, sondern auf dem Boden eines konfessionellen RU das trialogische Profil als stets mitlaufende Dimension religiösen Lernens. 

Bei aller Leidenschaft für die interreligiöse Verständigung sind Langenhorsts Ausführungen von einer kritischen Nüchternheit geprägt, die jeden naiven Irenismus hinter sich lässt. Dies wird einerseits deutlich, wenn er konsequent die Perspektive wechselt – etwa in der Frage, ob und inwiefern das Judentum und der Islam in gleicher Weise den Dialog suchen oder diesen gar zur Klärung ihres eigenen theologischen Selbstverständnisses „brauchen“. Andererseits dadurch, dass er auch Konfliktthemen, die in den bisherigen Publikationen eine eher untergeordnete Rolle spielten, nicht scheut: So werden die Bedeutung des Korans, Mohammeds, Jesu Christi sowie der Trinität perspektivenübergreifend und kritisch beleuchtet, was der sensiblen und angemessenen Gestaltung konkreter Lernprozesse sehr förderlich sein dürfte. Das Ausloten realistischer Möglichkeiten bei gleichzeitiger Markierung der zu respektierenden Grenzen praktiziert der Autor dann auch bei der Frage einer trialogischen Gebetsgemeinschaft, wobei das Modell des Friedensgebetes von Assisi – zusammen sein, um zu beten, nicht zusammen beten – weiterhin maßgebend erscheint. Erwartungsgemäß führt am Ende der gemeinsame Grundethos der abrahamischen Religionen – bei allen Unterschieden – zu einer Verbundenheit im sozialen Handeln – so weit, dass schließlich darüber hinaus der noachidische Bund ethisch wie lebenspraktisch das Gemeinsame der gesamten Menschheit in den Blick nimmt.

In der reifen und sehr differenzierten Darstellung des Autors wird mitunter die Handschrift seiner früheren Mentoren Hans Küng und Karl-Josef Kuschel deutlich, ohne dass er deren Erbe unkritisch übernähme. Dies gilt für die Rezeption des Projekts „Weltethos“ wie für den Einblick in jüdische und islamische Gegenwartsliteratur, aus denen der Autor wertvolle trialogische Lernimpulse gewinnt. Lediglich zwei Passagen in dem 400-seitigen, schon eher den Charakter eines Kompendiums annehmenden Entwurf hinterlassen den Wunsch nach größerer Klarheit, auch wenn das Ansinnen, die Überkomplexität der Fachdiskussion zu reduzieren, positiv hervorgehoben werden muss. Zum einen betrifft dies die Skizze der religionstheologischen Modelle des „Theozentrischen Pluralismus“ wie des auf katholischer Seite präferierten Inklusivismus, den der Autor zwar unterstützt, dem er aber zugleich „bleibende und frag-würdige Unzulänglichkeiten“ (92) unterstellt. Zum anderen wirft seine kritische Auseinandersetzung mit der Komparativen Theologie, der er „wertvolle Impulse“ und „Synergien“ (187) verdankt, aber wegen ihres Verzichts auf Wahrheitszumutungen nicht folgen will, die Frage nach klarerer Positionierung auf.

Abgesehen davon bietet der Entwurf des Autors für jeden Religionslehrenden in Schule und Ausbildung eine sehr empfehlenswerte Lektüre! Für diese Zielgruppe bleibt ebenso wie für die wissenschaftliche Religionspädagogik insgesamt zu wünschen, dass die Überlegungen des Autors im Bereich des unvertrauten Fernen, des fremden Anderen, sprich: für den Buddhismus und den Hinduismus, eine Fortsetzung finden. 

Freiburg: Herder Verlag. 2016
432 Seiten
34,99 €
ISBN 987-3-451-31592-3

 

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