Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Georg M. Oswald: Unsere Grundrechte

Georg M. Oswald stellt die Grundrechte des Grundgesetzes dar. Dabei geht es ihm nicht darum, einen juristischen Kommentar zu schreiben. Vielmehr wirft er einen Blick auf die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation und beschäftigt sich mit der Frage, wie die Grundrechte Antworten geben können. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die Grundrechte das „Fundament einer menschenwürdigen Gesellschaft bilden, um die immer wieder von Neuem gekämpft werden muss.“ Der Autor erreicht das von ihm verfolgte Ziel, die Grundrechte mit seinem Buch allen Bürgern näherzubringen – auch denen, die juristisch nicht vorgebildet sind. Er entfaltet die Bedeutung der Grundrechte anhand aktueller Ereignisse. Die Qualität des Buches liegt aus meiner Sicht darin, dass es sich nicht um ein Werk handelt, das alle Probleme rechtlich bis ins letzte Detail erörtert, würde dies doch der Absicht verständlicher Darstellung widersprechen.

Zunächst setzt sich der Verfasser mit den Verfassungsgrundsätzen auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass die Grundrechte nicht unbeschränkte Freiheiten gewähren, sondern dort ihre Grenze finden, wo Rechte und Freiheiten anderer berührt sind. Sodann beschäftigt er sich mit der Menschenwürde (Art. 1 GG), deren drei Kardinalforderungen er in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sieht. Dann beschäftigt er sich mit dem Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben und Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG), stellt ihre Bedeutung heraus und zeigt an Beispielen die Grenzen dieser Freiheiten. Im nächsten Abschnitt widmet er sich dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Unter Bezugnahme auf George Orwells Farm der Tiere und anhand von Beispielen belegt er, dass es eine zulässige Ungleichbehandlung gibt, aber grundsätzlich festzuhalten ist, dass „anders zu sein“ ein ureigenes Recht des Menschen ist.

Bei der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) spannt Oswald einen Bogen von der Reformationsbewegung bis zur Religionsfreiheit als Resultat der Aufklärung. Er stellt die Trennung von Staat und Kirche, die heute im Staatsorganisationsrecht des Grundgesetzes verankert ist, dar und diskutiert die Frage, was der Name Gottes in der Präambel des Grundgesetzes zu bedeuten hat. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das Grundgesetz mit der Religionsfreiheit keinen Anachronismus darstellt; vielmehr manifestiert es die Überwindung des Absolutheitsanspruchs der Religion und doch auch deren Bewahrung. Dann geht er darauf ein, dass die Religionsfreiheit in den letzten Jahrzehnten in der öffentlichen Diskussion in Verruf geraten ist und nur noch in Zusammenhang mit Kopftüchern, Moscheen und Islamismus diskutiert wird. Die kulturelle Konfrontation mit dem Islam führt zu der Frage, welche eigenen kulturellen Identifikationsangebote die Gesellschaft bereithält.

Anschließend geht es um die Kommunikationsfreiheiten und die Kunstfreiheit (Art. 5 GG). Oswald zeigt auf, dass Art. 5 die Basis jeder echten Demokratie darstellt, heute aber verschiedenste Gefahren drohen (Fake-News, Alternative Fakten, Meinungsdiktatur des Mainstreams). Dann beschäftigt sich der Autor mit dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) und zeigt auf, unter welchen Rahmenbedingungen diese Vorschrift geschaffen wurde und wie sich die gesellschaftlichen Anschauungen in den letzten Jahrzehnten gewandelt haben.

Das nächste Kapitel dreht sich um das in Art. 7 GG geschützte Schulwesen. Zur Bedeutung des Religionsunterrichts stellt er heraus, dass Religion nicht nur Wahl- oder Ergänzungsfach, sondern ein prüfungsrelevantes Pflichtfach ist. Die Hauptbedeutung des Art. 7 sieht er in der Klarstellung des Diskriminierungsverbotes und der Religionsfreiheit, die auch in der Schule Geltung beanspruchen.

Im nächsten Abschnitt geht Oswald auf die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) ein. Er zeigt die verschiedenen Tatbestandsmerkmale auf und beurteilt das Demonstrationsrecht als eines der wirksamsten Mittel im demokratischen Meinungskampf. Um die Vereinigung zur Koalitionsfreiheit geht es in Art. 9 GG. Parteien, Aktiengesellschaften, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, alle Formen wirtschaftlicher und politischer Zusammenschlüsse zu jedem nur denkbaren Zweck, so Oswald, sind Vereinigungen im Sinne dieses unscheinbaren Artikels. Dann beschäftigt er sich mit dem Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG). Durch die neuen elektronischen Kommunikationsmittel wird seiner Ansicht nach weitgehend auf den Schutz des Art. 10 GG verzichtet. Die historische Entwicklung der Freizügigkeit in Art. 11 GG und die Einschränkungen durch das Polizeirecht werden anschließend thematisiert. Er zeigt auf, dass die Berufsfreiheit des Art. 12 GG durch persönliche Fähigkeiten und Qualifikationen sowie formale Kriterien, wie z.B. Zugangsbeschränkungen, beeinflusst wird.

Im Abschnitt zur Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) stellt Oswald dar, dass nach dem BVerfG jeder Mensch ein Recht darauf hat, in Ruhe gelassen zu werden. Kritisch sieht er die technischen Möglichkeiten und deren Einsatz in Wohnungen, um Sicherheitsinteressen des Staates Rechnung zu tragen. Im Kapitel zur Eigentumsgarantie und zum Erbrecht der Artikel 14 und 15 GG weist er auf die Bedeutung des Privateigentums hin, zeigt aber gleichzeitig auch, dass zum Wohl der Allgemeinheit eine Enteignung stattfinden kann. Sodann geht er auf den Schutz vor Ausbürgerung und Auslieferung (Art. 16 GG) ein und verweist auf das Staatsangehörigkeitsgesetz, das die Voraussetzungen für die deutsche Staatsangehörigkeit festlegt.

Die Ausführungen über das Asylrecht (Art. 16a GG) beginnen mit einem Zitat von Goethe: „Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.“ Dann gibt er einen kurzen historischen Rückblick und thematisiert die Flüchtlingskrise 2015. Seiner Ansicht nach genießen politisch Verfolgte Asyl, weil Deutschland sich aus humanitären Gründen dazu entschließen will. Außerdem stand und steht das Asylrecht nach Oswald in Einklang mit dem Bekenntnis zur Menschenwürde und Menschenrechten, wie es in Art. 1 GG formuliert ist. Die Zuwanderungspolitik wird zur Wahrheitsprobe für die Grundrechte.

Um die Mitwirkungsmöglichkeiten in der parlamentarischen Demokratie drehen sich die Art. 17 und 20 GG. Das Bundeswahlgesetz hält er für umständlich und kompliziert. Danach befasst er sich mit dem in Art. 20 GG festgelegten Rechtsstaat. Er legt die Justizgrundrechte dar, die nur dann für ein faires Verfahren sorgen, wenn das Recht richtig angewendet wird.

Welche wir haben, was sie bedeuten und wie wir sie schützen
München: Piper Verlag. 22018
204 Seiten
20,00 €
ISBN 978-3-492-05882-7

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