Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gerhard Begrich: Leviticus. Das 3. Buch Mose

Das Buch Leviticus gehört zu den Schriften des Alten Testaments, die uns heute nur schwer zugänglich sind. Zu fremd, zu eigenartig oder zu abscheulich und abschreckend erscheinen uns einige der Gesetze und Vorschriften. Dies ist wohl ein Grund dafür, warum Textabschnitte dieser Schrift in der pastoralen Praxis nur selten in den Blick geraten und thematisiert werden Die Instrumentalisierung einzelner Bestimmungen des Buches in Vergangenheit und Gegenwart vor allem in fundamentalistischen Kreisen hilft da nicht besonders.

Auf der anderen Seite bildet das Buch Leviticus in der jüdischen Tradition, wo es wajjiqrā’ („und er rief“) genannt wird, das Herzstück der Tora. Die Konzeption einer gemeinsamen Einhaltung von Geboten dient u.a. der Identitätsbewahrung und -sicherung des Volkes Israels. In Ihnen spiegelt sich die Vielfalt der Glaubenserfahrungen Israels mit seinem Gott. Die Gesetze ermöglichen die Rückbindung an die eigene Geschichte und ihre Vergegenwärtigung. Sie eröffnen zugleich einen Raum für stetige und neue Begegnungen mit dem Gott Israels. Sie sind Richtlinien für ein gelingendes Leben, die dem Volk Israel an die Hand gegeben werden, um die Beziehung zwischen Gott und ihm zu fördern und zu stärken. Und so sieht der protestantische Theologe Gerhard Begrich in ihnen eine „rückwärtsgerichtete Utopie“, einen „Dank an Gott“, aus dem heraus sich die Gesetze und Anweisungen für ein „geglücktes Leben“ herleiten lassen.

Begrichs Übersetzung des Buches Leviticus erinnert stark an die Verdeutschung der Schrift von Martin Buber und Franz Rosenzweig. Zwar wird weitestgehend auf sprachschöpferische Leistungen verzichtet, dennoch spürt man den Versuch, die hebräische Sprache nicht nur dem Inhalt, sondern auch der Form nach dem Deutschen nachzubilden. Und so entsteht eine Übersetzung, die zum lauten (Vor-)Lesen regelrecht einlädt. Eine weitere Eigenart der Übersetzung bildet die Kennzeichnung des Eigennamens Gottes. So wird das Tetragramm JHWH durch „ER, hochgelobt sei sie“ wiedergegeben. Warum „sie“ verwendet wird, bleibt jedoch offen: Ist es vielleicht eine Referenz an die feministische Theologie bzw. die Bibel in gerechter Sprache oder eher das Anliegen, ein Gleichgewicht von maskuliner und feminier Geschlechterform Gottes sprachlich zu kennzeichnen, wobei eine preisende Zuwendung der Menschen zu Gott hin eingespielt wird?

Ein weiteres Anliegen des Übersetzers zeigt sich darin, dass er den Text zunächst als ein Ganzes wirken lassen will. Der Textfluss wird weder durch einleitende Ausführungen, Gliederungen oder Erläuterungen unterbrochen. Nur wenige Anmerkungen finden sich am Ende des Buches, deren Auswahlkriterien allerdings nicht immer nachvollziehbar sind. Die Erläuterungen nehmen nur einen kleinen Umfang ein und bieten auf das wesentlichste zusammengedrängte Verständnishilfen.

Begrichs Übersetzung versteht sich nicht als eine wissenschaftlich orientierte Bibelübersetzung, die den Anspruch erhebt, möglichst nah am hebräischen Text zu übersetzen oder Kriterien und Entscheidungen zur Übersetzung zu reflektieren und nachvollziehbar darzubieten. Vielmehr erhebt sie den Anspruch, dass die Leser und Leserinnen dem Text als Ganzes in einer durchaus ansprechenden Sprachform begegnen können. Dabei bricht sie ganz bewusst mit scheinbar vertrauten Leseformen und eröffnet eine (Neu-)Begegnung mit dem biblischen Text.

Die Anweisung zu einem geglückten Leben
Neu übersetzt und erläutert
Stuttgart: Radius Verlag. 2018
102 Seiten
15,00 €
ISBN 978-3-87173-512-7

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