Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gerhard Lohfink: Die wichtigsten Worte Jesu

Den Verfasser kennt man hierzulande. Er stammt aus dem Bistum, viele Seelsorger verfolgten seine Vorträge, kaum eine theologische Handbibliothek ohne eines seiner zahlreichen Bücher. Da erscheint seine neue Veröffentlichung als ein naheliegender Lückenfüller – nach zahlreichen Titeln über Jesus jetzt: dessen wichtigste Sprüche.

Worum geht es? Gesucht wird nach der authentischen Stimme Jesu in den Traditionstexten. Zu dieser Suche bedient der Verfasser sich der Methoden der Literarkritik; doch greift er weitgehend die festgefahrenen Fragen der wissenschaftlichen Vorgeschichte nicht auf, sondern setzt einen wissenschaftlichen Konsens über bekannte Antworten voraus. Diese konfrontiert er direkt mit den biblischen Belegstellen. In 70 Kapitel werden Logien, also in den Evangelien überlieferte Schlüsselsätze Jesu, nach bestimmten Themengruppen sortiert besprochen. Die Themenliste dazu orientiert sich an der bekannten Gliederung der rekonstruierten Logienquelle. Besprochen werden folgende Themen: Was bedeutet Gottesherrschaft? – Aussendung der Zwölf – Die Lebensweise der Jünger – Die Ethik der Gemeinde – Der Hoheitsanspruch Jesu – Die Krise Israels – Passion, Eschatologie der frühen Christen. Die so angeordneten Themen zeichnen die Entwicklung der Geschichte Jesu und die Entwicklung der Logienquelle nach. Weniger stringent, aber dem aufmerksamen Leser deutlich, wird eine Einführung, die die wissenschaftliche und lehramtliche Position des Verfassers geben.

Wie geht die Interpretation der einzelnen Logien genauer vor sich? Der exegetische Besteckkasten wird je nach Bedarf und Absicht geöffnet, die Bandbreite der Instrumente reicht von synoptischen Vergleichen über die Formgeschichte und (ausgezeichneten!) alttestamentlichen und frühjüdischen Parallelen zu intensiver Bultmann- und Moderne-Kritik, um nur einige Beispiele zu nennen. Um da mitzukommen, hilft ein erfolgreich bestrittenes Exegeticum durchaus. Ergebnis sind die historisch gesicherten, stets aber getreu biblischen Kerntexte (einige davon auch außerhalb der Q-Liste, eingestreut sogar logienferne Belehrungen, etwa über Stellvertretung, Zeitzeichen oder Sühne). Ziel der Übung ist, eine möglichst deutliche Vorstellung der gemeinten Sache zu vermitteln, ihren Platz in der Verkündigung der Jünger und der frühen Gemeinde zu bestimmen und letztlich zu einer Begegnung mit der herausfordernden Person Jesus zu verhelfen – also selber kerygmatische Kommunikation zu betreiben. Ein dezenter Hinweis auf die mögliche Verwendung in liturgischer Praxis fehlt auch nicht. Allerdings dürfte dieser Tipp kaum ausreichen, die sachlich und theologisch notwendige Anbindung an die zeichengebende Gegenwart zu erreichen.

Der Leser bekommt etwas geboten für 423 Seiten harte Arbeit. Anregend ist das Buch sicher für exegetisch hochmotivierte Theologen. Ob die Breite des Anspruchs des Autors eingelöst werden kann, wage ich nicht zu beurteilen.

Freiburg: Herder-Verlag. 2022
424 Seiten
32,00 Euro
ISBN 978-3-451-39190-3

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