Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hans Schwarz: Luther für Nichtlutheraner

 

„Luther für Nichtlutheraner“ – wer sollte sich hier ausgeschlossen fühlen? Auch ein den zentralen Erkenntnissen des Reformators verbundener Christ würde für sich die Bezeichnung „Lutheraner“ eher meiden. Die Unterschiede zwischen Reformierten und Lutheranern werden hierzulande von den meisten evangelischen Christen weithin, wenn überhaupt, nur noch als historisch wahrgenommen. Das Buch von Hans Schwarz reiht sich in die Schar von Lutherdarstellungen ein, die den Reformator und sein Denken größeren Leserkreisen zugänglich machen möchte, und dürfte für jeden, der seine schemenhaften Kenntnisse von Luther erweitern möchte, gewinnbringend sein. Es ist eingängig geschrieben und blendet hin und wieder aktuelle Bezüge ein. Schwarz versteht es, wichtige theologische Einsichten des Reformators auf verständliche Weise dem Leser nahezubringen. Auch die Verschränkung von Episoden aus dem Leben Luthers mit dessen theologischen Grundsätzen ist gelungen. Die Themenauswahl zu Luther erstaunt etwas. Unter den fünfzehn Punkten finden sich die Überschriften „Wider den Raubkapitalismus“, „Der christliche Glaube ist nicht wissenschaftsfeindlich“, „Astrologie gibt uns keinen Blick in die Zukunft“ oder „Wider den Patriarchalismus“. Die Themen widmen sich Einstellungen des Reformators, die eher im Schatten seiner vielfachen Würdigungen stehen. Der mit Luther vertraute Leser wird hier gelegentlich „neue“ interessante Lutherzitate entdecken.

Problematische Aspekte des Reformators wie seine spätere Judenfeindschaft hat der Autor bewusst an den Rand gedrängt und werden nur gelegentlich erwähnt. Der Hauptakzent des Buches liegt auf Luthers „Verdiensten um den christlichen Glauben und um die Gesellschaft“ (IX). Der Rezensent hat dafür einerseits Verständnis, weil Luthers zutiefst verwerflicher Judenhass oder seine übermäßig harten Worte gegen die Bauern oft aus dem Kontext ihrer Zeit gerissen werden und die anderen Aspekte seines Wirkens in den Darstellungen überlagern. Andererseits gehören Luthers Schwächen, Fehler und Sünden, seine in mancher Hinsicht ambivalente Wirkung auf die Nachwelt zu einem sachgemäßen Bild seiner Persönlichkeit. Luthers Glaubensbotschaft wird davon in ihrem Kern nicht berührt. Dass Menschen ihren Glauben an seiner Person festmachen, hat der Reformator nie gewollt und stattdessen die Bibel und ihre Botschaft in den Mittelpunkt gestellt.

Der Autor möchte mit seinem „Luther für Nichtlutheraner“ vor allem die katholischen Geschwister ansprechen. Doch bleibt das Buch in seinen ökumenischen Perspektiven oberflächlich. Die Würdigung Luthers „Er war kein Theologe von der Bedeutung eines Thomas von Aquin. Er war vielmehr ein Christ, der in der Tradition von Paulus und Augustin stand, und in dieser Tradition die Hinwendung Gottes, des Schöpfers des ganzen Universums, an uns Menschen neu zum Leuchten brachte“ (177) ist eher missglückt. An Bedeutung steht der Theologe Luther dem Aquinaten sicher nicht nach, während Schwarz‘ Charakterisierung des Christen Luther auch auf Thomas zutrifft. Wer sich genauer für Luther in katholischer Hinsicht interessiert, wird zu Otto Hermann Peschs großer, aber gut lesbarer Katholischen Dogmatik in ökumenischer Perspektive greifen müssen. Hier finden sich immer wieder lehrreiche Ausführungen zu Luther, die sein Verhältnis zur katholischen Theologie ausloten. Dennoch ist das hier besprochene schmale Buch eine willkommene Ergänzung auf dem Lutherbuch-Markt, weil es an zentrale theologische Erkenntnisse Luthers erinnert, die in den zurückliegenden Jubiläumsfeierlichkeiten bisweilen hinter fragwürdigen Aktualisierungen wie Historisierungen Luthers und seiner Theologie verschwanden.

Paderborn: Brill – Ferdinand Schöningh Verlag. 2021
179 Seiten
24,90 €
ISBN 978-3-506-76054-8

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