Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hildegard Kretschmer: Wie Jona vom Wal verschluckt wurde

Berühmte Maler erzählen die Bibel

Die Autorin, eine erfahrene Kunstpädagogin, führt größeren Kindern (und uns) vor Augen, wie „berühmte“ Maler vom 15. bis zum 18. Jahrhundert einzelne biblische Erzählstoffe aufgenommen und mit ihrem Pinsel auf der Bildfläche geflissentlich veranschaulicht haben. Die Reihenfolge der Motive folgt der kanonischen Ordnung – vom Schöpfergott bis zu Johannes auf Patmos. Je eine Doppelseite für zwanzig Vorkommnisse aus dem Alten Testament und für zweiundzwanzig zum Leben Jesu. Das farbige Bild immer auf der Blickfangseite rechts, so groß wie möglich, links Zusammenfassungen der entsprechenden Erzählung, dazu Bildausschnitte, mit wohldosierten Sehanleitungen, Erläuterungen und Fragen. Ein bedenkenswerter Versuch, mit einem Minimum an fachtheologischer Reflexion und Hermeneutik der biblisch-christlichen Bilderwelt näherzukommen. Dafür erweist sich die Malerei der gewählten Epoche als besonders geeignet – und zugleich als verfänglich.

In jener Zeit gilt „Historienmalerei“ als ranghöchste Kunstgattung. Sie zielt auf Augenfälligkeit, auf lebendige Vergegenwärtigung überlieferter Narrative, auf sinnliche Überwältigung. Dafür werden hier die bekanntesten Beispiele aufgeboten. So bekommen die jungen Adressaten neben biblischen Informationen eine Vorahnung von der zeitweisen kulturellen Wirkungsgeschichte der Bibel. Zwar zeigt sich, dass die Maler das Personal kleiden wie Menschen ihrer eigenen Zeit, um so das biblische Geschehen zu vergegenwärtigen. Aber zugleich wird die naive Vorstellung bestätigt, es handele sich bei den „stories“ der Bibel durchweg um Tatsachenberichte – Himmelfahrt Christi beispielsweise wie ein fotografierbarer Vorgang! Schon ihr Vorwort lässt erkennen, dass die Verfasserin auch fiktive Texte für „bare Münze“ nehmen möchte, und damit befindet sie sich in guter Gesellschaft, denn diesem Vorverständnis unterlagen Bibelausleger vergangener Zeiten ebenso wie Auftraggeber und Künstler. 

Für eine Bilddidaktik auf der Höhe der heutigen Theologie stellt das eine Herausforderung dar: Helfen Bibelbilder aus dieser Epoche zur Annäherung an den Wahrheitsanspruch der Bibel oder erschweren sie diese?

Am deutlichsten stellt sich das Problem beim Titel gebenden Jonabild von Jan Brueghel dem Älteren (1596, Alte Pinakothek München): „Der Fisch, der Jona verschlungen hat, war wahrscheinlich ein Pottwal. Diese haben ein so großes Maul, dass ein ganzer Mensch darin Platz hat. Wale sind Säugetiere und müssen zum Luftholen an die Oberfläche kommen. So soll es tatsächlich schon vorgekommen sein, dass ein Wal einen Menschen verschlang und dieser es überlebte.“ Derart wird aus dem Symbol des verschlingenden Seeungeheuers ein kurioser, doch eher unwahrscheinlicher zoologischer Fall. Die Wahrheit der Geschichte liegt auf einer anderen Ebene, als die Verfasserin hier vorgibt. Das mythische Seemonster (hebr. tannin, griech. ketos) verkörpert die Todeszone (scheol/hades). Immerhin verlockt die Jonageschichte die Autorin zu einem impliziten Glaubensbekenntnis: „Jetzt verstand Jona, dass Gottes Güte allen Menschen gilt. Und so wie Gott Ninive errettet hat, hoffte später das Volk Israel, als es unter der Herrschaft der Griechen und Römer litt, auf einen von Gott gesandten Retter.“ Und Grünewalds Auferstehungsbild gibt sie die vollmundige Überschrift „Jesus besiegt den Tod“.

Dieses Kinderbuch eignet sich als sympathisches Lernmittel besonders für Erwachsene, die einen einfachen Weg suchen, um biblische Geschichten, die zur Allgemeinbildung zählen, der heranwachsenden Generation interessant werden zu lassen und sie in der Bildschicht der Seele zu beheimaten. Das gilt für Eltern ebenso wie für Kunsterzieher in der Schule oder im Museum.

Darüber hinaus könnte sich das schmale Buch als nützlich erweisen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Kunst- und Religionsunterricht; denn an manchen Stellen ist zusätzliche (bibel-)theologische Kompetenz herausgefordert, z.B. beim Bild der Taufe Jesu durch Johannes. Kooperativ wären dann auch wünschenswerte epochale und thematische Erweiterungen möglich, z.B. im Blick auf Jesus als den Herrn in der frühen Mosaikkunst, auf die Buchmalerei des Mittelalters und auf religiöse Kunstwerke am Ende der Neuzeit.

Stuttgart: Reclam Verlag. 2014
96 Seiten m. farb. Abb. 
16,95 €
ISBN 978-3-15-010963-2

 

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