Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hubert Frankemölle: Gott glauben – jüdisch, christlich, muslimisch

Titel und Untertitel von Hubert Frankemölles lehrreichem, umfangreichem Buch weisen darauf hin, dass es um das Vertrauen zu Gott, die Glaubenshaltung der Gläubigen, in den drei monotheistischen Religionen geht. Der Autor betrachtet das Gottvertrauen erfahrungsbezogen in historisch-genetischer Perspektive: Auf den Glaubensinhalt bezogen beleuchtet Frankemölle die Entstehung und den Wandel des jeweiligen Gottesbildes in unterschiedlichen sozialen und politischen Kontexten. Deshalb wählt er eine autobiografische Einleitung: „Heute von Gott sprechen“ (Kapitel I). Frankemölle kennzeichnet informativ und anschaulich, basierend auf eigenen Erfahrungen vom Theologiestudium in den 60er Jahren bis heute, beispielhaft unterschiedliche Auffassungen zur Gottesbeziehung, die Entwicklungsstufen in der Gotteserfahrung und die Frage nach dem Verhältnis von Schöpfungsglauben und Evolutionstheorie im aktuellen Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Glaube. In diesem Zusammenhang wird eine wichtige, auch für Frankemölles eigene Darstellung grundlegende exegetische Einsicht erwähnt: Texte bilden die Wirklichkeit nicht ab, sondern deuten sie. Biblische Texte mit ihren Gottesbildern tragen dazu bei, unterschiedliche Erfahrungen einer transzendenten Wirklichkeit zu verstehen.

Die folgenden Kapitel beinhalten eine kenntnisreiche, nuancierte und durchgängig spannende Darstellung des Gottesglaubens der drei Buchreligionen: Dieser ist im Judentum im Tenak, in der Septuaginta und in außerbiblischen Schriften bezeugt (Kapitel II). Anschließend thematisiert Kapitel III das Zeugnis des Gottesglaubens im Neuen Testament. Es folgen religionsgeschichtliche Ausführungen (Kapitel IV), die den Gottesglauben im Judentum und in der alten Kirche vor der Entstehung des Islams betreffen. Das V. Kapitel „Gott glauben im Koran“ beinhaltet die Darstellung von dessen unterschiedlichen Gottesbildern. Als Hinführung dazu werden zunächst die Bibel und der Koran kurz miteinander verglichen und die Bedeutung Jesu im Koran dargestellt.

Die letzten beiden Teile von „Gott glauben“ haben zusammenfassende und vergleichende Funktion: Es geht in Kapitel VI darum, wie die Gottesbilder in den heiligen Schriften des Judentums, des Christentums und des Islams rezipiert, d.h. zu verschiedenen Zeiten transformiert werden. Als besonders interessanter Aspekt wird hier die bereits am Schluss von Kapitel IV reflektierte Frage aufgegriffen, ob und inwieweit sich die römische Schultheologie in ihren Dogmen durch Hellenisierung vom biblischen Gottesbild und Gottes Offenbarungen entfernt hat. Vorsichtig bejaht Frankemölle die Frage mit dem Hinweis darauf, dass demgegenüber das II. Vaticanum die biblische Theologie neu entdeckt, im Licht der Bibel die Zeichen der Zeit erkannt und versucht hat, daraus Antworten auf die Fragen der Menschen von heute zu geben. Schließlich skizziert der Autor im VII. Kapitel unterschiedliche Wege zu dem einen und einzigen Gott. Dessen Anbetung ist jeder der drei Buchreligionen gemeinsam, wenn sie ihr eigenes Bekenntnis nicht verabsolutiert oder gar mit Gewalt durchsetzt und aufzwingt. Auf ihren unterschiedlichen Glaubenswegen haben alle drei Bekenntnisse zu dem einen Gott die Hoffnung gemeinsam, dass nicht sie das Werk vollenden müssen, sich aber umso mehr dazu verpflichtet fühlen, nicht von ihm abzulassen. Ein ausführliches, gut strukturiertes Quellen- und Literaturverzeichnis gibt Anstöße zur vertiefenden Beschäftigung mit einzelnen Aspekten des Buchs. Wenn auch statt des kurzen Namens- und Begriffsregisters ein ausführlicheres Sachregister hilfreich gewesen wäre, kann man sich in Frankemölles besonders instruktivem, flüssig lesbarem Kompendium aufgrund der präzisen, die Einzelabschnitte gliedernden Überschriften gut orientieren.

Das Buch eignet sich sowohl zum schnellen Nachschlagen, um bei bestimmten Fragen einen Einblick zu bekommen, als auch zu eingehender Beschäftigung mit einzelnen Problemkreisen. „Gott glauben“ liest sich wie ein spannender, vielseitiger Roman mit einem kontinuierlichen Erzählfaden. Dieser besteht darin, dass der Autor mit Rekurs auf die Gottesbilder, auf ihre Bedeutung und auf ihren situativen Wandel Schritt für Schritt den Glauben an den Heilswillen Gottes entfaltet. Der universale Heilswille Gottes wird damit als die Pointe der „Romanhandlung“ deutlich herausgearbeitet. Diesen hebt die katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil mit Bezug auf die drei Buchreligionen unmissverständlich hervor: Gott ist zum Heil der Menschen gegenwärtig. Das bringen selbst konservative muslimische Vertreter im aktuellen katholisch-islamischen Dialog zum Ausdruck. Damit stehen sie zum religiösen Miteinander im Gespräch, das die unterschiedlichen Glaubenswege respektiert und toleriert. Zusammenfassend betont der Autor: Die heiligen Schriften der Juden, Christen und Muslime stellen die vielfältigen Wege der Suche nach Gott in der Schöpfung und in der Geschichte dar. Für Christen kommt das besonders in der Geschichte Jesu Christi zum Ausdruck.

Fasziniert von der Vielstimmigkeit des Gottesglaubens in den drei Buchreligionen und aus persönlicher Verbundenheit mit seiner eigenen christlichen Glaubensüberzeugung, motiviert Hubert Frankemölle Leserinnen und Leser dazu, die Gegenwart Gottes, von dem die drei Buchreligionen in verschiedenen Bildern und mit verschiedenen Namen sprechen, in allen Dingen zu suchen – in theologischer Reflexion und im Gebet. „Gott glauben“ ist damit auch ein Beitrag zur Mystik des Alltags.

Freiburg: Herder Verlag. 2021
662 Seiten
39,00 €
ISBN 978-3-451-39097-5

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