Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hubert Frankemölle: Vater im Glauben?

Für die drei Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam ist die Gestalt Abrahams von grundlegender und besonderer Bedeutung. Die Berufung auf Abraham als den „Vater des Glaubens“ wird in den Dokumenten zum interreligiösen Dialog und in der interreligiösen Begegnung immer wieder benannt und besonders hervorgehoben. Aber ist Abraham für Juden, Christen und Muslime wirklich der gemeinsame Vater im Glauben?

Diese Frage treibt den im christlich-jüdischen Dialog wie im Trialog (Judentum, Christentum und Islam) hoch- und wertgeschätzten Neutestamentler Hubert Frankemölle in seiner neuesten Publikation um. Nach einem Vorwort lotet der Verfasser zunächst den Raum des umfassenden Themas aus und benennt sodann die methodologische Verortung wie die methodologischen Grunddaten seines Vorhabens, die Bedeutung Abrahams/Ibrahims in der Tora, im Neuem Testament und im Koran zu durchdenken und im jeweiligen literarischen und zeitgeschichtlichen Kontext auszulegen.

In einem ersten Angang untersucht Frankemölle alle Abrahamsstellen in der hebräisch-jüdischen Bibel. Folgerichtig und eigens behandelt wird die Gestalt des Abraham in der griechisch-jüdischen Bibel, der Septuaginta. In einem weiteren Schritt wird das sich verändernde Abrahamsbild im Neuen Testament, in den Briefen und in den Evangelien, entfaltet. Kurz und prägnant benennt der Autor dann die „Rezeption des biblischen Abraham-Bildes im Christentum außerhalb der Bibel bis Mohammed“ und die „Rezeption des biblischen Abraham-Bildes im Judentum außerhalb der Bibel bis Mohammed“ bei Philo von Alexandrien, Flavius Josephus und im rabbinischen Judentum.

Sachlogisch folgt das siebte Kapitel „Die Rezeption Abrahams im Koran“. Im Koran spielt die Person des Abraham/Ibrahim eine wichtige Rolle, wie die zahlreichen Suren belegen, die der Verfasser akribisch listet und untersucht. Auch für den Koran gilt, dass die Rezeptionsgeschichte Abrahams nur im Licht der ureigenen muslimischen Aneignung und Transformation gesehen werden kann. Im Koran, so der Verfasser prägnant, hat „Abraham keine biblisch begründete theologische Normativität, keinen Eigenwert, sondern erhält seine Bedeutung aus der Bedeutung Mohammeds und der Deutung seiner Berufung und seiner Verkündigung. Abraham wird instrumentalisiert. Sein Name ist gebunden an Mekka und die muslimischen Riten. Dieser muslimische Abraham verbürgt über seinen Sohn Ismael die wahre Tradition. Die zeitgeschichtliche und religiöse, aber auch militärische Funktion Mohammeds bestimmt die Rezeption ausgewählter Abraham-Aspekte“. (S. 429 f)

Lesenswert und von hoher Aktualität sind die von Frankemölle unter der Überschrift „Bibel und Koran lesen“ ausgeführten Gedankengänge, die zum Nachdenken anregen und zur Diskussion herausfordern. Als Schlaglichter dieses Kapitels sind zu nennen: die Standortvergewisserung / die Intention des Autors, die aktuelle Koranforschung mit den wichtigen hermeneutischen Fragestellungen, die Frage nach dem Islam als eine Religion der Gewalt oder Religion des Friedens, die Fundamentalismus-Thematik angesichts der politischen Herausforderungen in der islamischen Welt, der Wahrheits- und Absolutheitsanspruch und die so wichtige Frage der Religionsfreiheit für den Religionenfrieden in unserer Zeit.

Das Buch endet mit einem „Ausblick: ‚Abrahamische Ökumene‘?!“. Aufgrund der unterschiedlichen Rezeption des biblischen Abraham in Bibel und Koran kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass „Ibrahim nicht Abraham ist“. Diese Prämisse gilt es zu berücksichtigen und zu bedenken, wenn man die beliebten Wendungen „abrahamische Ökumene“ bzw. der „abrahamische Religion“ verwendet.

Hubert Frankemölle hat mit diesem Buch, das durch die sehr schön ausgewählten zahlreichen farbigen Abbildungen einen Mehrwert besonderer Art hat, einen Meilenstein gesetzt für alle diejenigen, die an der interreligiösen Begegnung teilnehmen oder teilnehmen möchten, und die, die am Verhältnis von Juden, Christen und Muslimen und den gemeinsamen Wurzeln der monotheistischen Religionen interessiert sind.

Didaktisch ist das Buch, blickt man auf die zahlreichen Querverweise und Literaturhinweise, sowohl Arbeitsbuch wie fundiertes Handbuch; es eignet sich für Religionslehrerinnen und -lehrer und kann mit großem Gewinn auch von Islamwissenschaftlern, Religionswissenschaftlern, Theologen und an einer Theologie der Religionen Interessierten gelesen werden.

 

Freiburg: Herder Verlag. 2016

520 Seiten m. farb. Abb.

34,99 €

ISBN 978-3-451-34911-9

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