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Jens Bergmann: Business Bullshit

Jens Bergmann, Psychologe, Journalist und seit 2017 stellvertretender Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins brand 1, entlarvt in seinem unterhaltsamen wie lehrreichen Buch ein „Managerdeutsch“, das nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im kulturellen Leben und – so der Klappentext – selbst unter Kirchenleuten inzwischen zum guten Ton gehört.

Der Jargon des „Bullshits“ – geprägt hat diesen Ausdruck der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt – dient, so Bergmann, nach innen der Selbstvergewisserung und nach außen der Inszenierung und Werbung (15), die sinnstiftend überhöht wird (32). Er werde vor allem im mittleren Management geteilt (31), um – nach innen und außen wie nach oben und unten – die Mitarbeiter zu motivieren, die Chefs zu überzeugen und die Kunden von den aktuell wichtigen Werten, heutzutage soziale und ökologische Korrektheit (17), zu überzeugen, obwohl diese oft dem offensichtlichen und hauptsächlichen Ziel des Wirtschaftens, nämlich Gewinnerzielung, entgegenstünden. So habe sich eine hohle Sprache herausgebildet, die mit der Realität nichts mehr zu tun habe.

Der Verfasser kategorisiert in sechs Kapiteln (Imponiervokabular, Beschwörungsformeln, Euphemismen, Gutfirmensprech, Psychotalk und Nullnachrichten sowie Sprachunfälle) und erklärt in kurzen alphabetisch geordneten (Lexikon-)Artikeln kurz die Verwendung, die Genese oder die dahinterstehende Wirtschaftstheorie der entsprechenden Termini und konkretisiert sie an Beispielen.

Das Vokabular umfasst nicht nur unzählige Substantive, sondern auch in ungewöhnlicher Weise gebrauchte Verben (wie ausrollen, liefern) und sinnlos zusammengesetzte Adjektive (wie proaktiv, zeitnah). Gerne werden auch englische Ausdrücke ungeachtet der unterschiedlichen Bedeutung wortwörtlich ins Deutsche übernommen wie „at the end of the day“, das eher mit „letzten Endes“, „schließlich“ und weniger zeitlich (am Ende des Tages) zu übersetzen wäre (159). Oder: „I am completely with you“, das ins Deutsche übersetzt „Ich stimme Ihnen ganz und gar zu“ und nicht „Ich bin ganz bei Ihnen“ (166) heißen müsste. Ein weiteres Beispiel ist „Technology“, das im Deutschen einfach Technik und nicht Technologie (Lehre von der Entwicklung der Technik) bedeutet (60f).

Von nicht allzu großem Sachverstand zeugt, wenn Begriffe in Unkenntnis der eigentlichen Bedeutung falsch verwendet werden, wie das Wort „AGIL“, das in seiner in den 1950er Jahren entwickelten soziologischen Bedeutung als Abkürzung von verschiedenen Begriffen wie Stabilität und Aufrechterhaltung das Gegenteil von agil im landläufigen Sinn meint (63-65) und dies dann noch mit dem – ursprünglich aus dem militärischen Bereich stammenden und Stellungskrieg meinenden – „gut aufgestellt“ (70) kombiniert wird oder sich widersprechende Begriffe in ein und demselben Wort verwendet werden (Minuswachstum). Richtig peinlich wird es dann, wenn Begriffe falsch aus anderen Fachgebieten übernommen wurden; so meint der physikalische Begriff „Quantensprung“ eben keinen großen, sondern nur einen „winzig kleinen Sprung“ (56), und der biologische Begriff der DNA das Speichermedium und nicht die „unverwechselbare Essenz“ wie oft in der Wirtschaft benutzt (46-47).

Da das Bullshit-Vokabular letztlich das Gegenteil vom Intendierten bewirke und unglücklich mache (181), plädiert Bergmann für seine Eliminierung bzw. Bekämpfung und schließt sein Buch mit den Worten: „Die einschlägigen Begriffe sind leicht identifizierbar: Was so aussieht, klingt und wirkt wie Bullshit, ist es meist auch. Der Kampf dagegen ist … mühselig, aber lohnend. Wer sich entsprechend wappnen will, kann Wittgenstein konsultieren oder auch das Neue Testament, Matthäus 5,37: ‚Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein!‘“ (185) Anmerkungen und ein Register runden das Buch ab.

Es sei all denen zur Lektüre empfohlen, die nicht unhinterfragt modische Termini und gängige Sprachmuster übernehmen möchten und bereit sind, ihren Sprachgebrauch im privaten und beruflichen Leben einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Managerdeutsch in 100 Blasen und Phrasen
Berlin: Dudenverlag. 2021
208 Seiten
15,00 €
ISBN 978-3-411-71574-9

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