Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Jörg Lauster: Das Christentum

Die Kulturgeschichte des Christentums skizziert Jörg Lauster, evangelischer Professor für Systematische Theologie in München, komprimiert auf 128 Seiten. Das ist eine hohe Kunst, denn seine Ausführungen zeugen von einem profunden Wissen zu Personen, theologischen Positionen sowie Dogmen- und Kirchengeschichte und weisen vielschichtige Analysen und hilfreiche Systematiken auf, um auch aktuelle Zusammenhänge und Fragestellungen des Christentums und der Kirchen besser verstehen zu können. Dies alles in einer solchen Kürze und in verständlicher Sprache aufzuarbeiten, verdient Respekt. Das Format einer kurzen Einführung in der Reihe Beck Wissen bringt es mit sich, dass vieles nur angedeutet werden kann.

In den vier Kapiteln geht der Autor zunächst auf gut 50 Seiten auf die 2000-jährige Geschichte des Christentums ein, wobei er biblische, dogmatische und historische Aspekte in den Blick nimmt. Glanzstunden und düstere Momente der Kirchengeschichte werden dabei gleichermaßen sichtbar. Er nimmt Bezug auf konfessionelle Entwicklungen und geht zum Abschluss des Kapitels auf die aktuelle Situation des globalen Christentums ein. Die weiteren drei Kapitel umfassen jeweils ca. 20 Seiten. Das zweite Kapitel bietet Ausführungen zu Lebensformen des Christentums, worunter Innerlichkeit, Institution, Ritus und Kultur gefasst werden. Dabei konzentriert sich der Verfasser auf die inhaltliche Füllung essentieller Aspekte der Verwobenheit von Christentum und Kultur, ohne Letztere definieren zu müssen. Mit Abbildungen werden die Ausführungen zu Kirchenbau und Malerei unterstützt. In Kapitel drei werden unter dem Stichwort der Motive des Christentums die zentralen christologischen Glaubensüberzeugungen sowie ihre Ausdrucksweise der religiösen Praxis betrachtet. Das Buch schließt im vierten Kapitel mit einem Blick „sub specie aeternitatis“, also der Bedingtheit der christlichen Weltgestaltung und Verantwortung im Angesicht eines größeren, ewigen Ganzen und dem Bewusstsein, „dass für das Christentum das Leben in der erlösenden Gottesgegenwart kein Zustand, sondern immer nur eine Aufgabe und Entwicklung sein kann“ (26).

Der Autor berücksichtigt verschiedene Disziplinen wie Philosophie oder Soziologie und zieht aktuelle Themen wie die Prozesstheologie, Sterbehilfe, Klimawandel oder innerkirchliche Fragen zum Frauenpriestertum und Abendmahl/Eucharistie ein. Die Prägung des Verfassers durch einen kulturprotestantischen Ansatz wird deutlich bei der Auswahl der Referenzen und der Positionierungen in theologischen Debatten. Er unterstreicht mehrfach die immense Bedeutung der Ökumene für die Zukunft des Christentums. Spezifika der jeweiligen Konfessionen und Denominationen werden klar skizziert und einzelne Phänomene anderer Konfessionen würdigend beschrieben, beispielsweise die Heiligenverehrung als wichtiger Teil der Volksfrömmigkeit oder die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus im Kontext der Schöpfungsverantwortung. An einigen Stellen könnte man gar von geistlichen Impulsen sprechen, die in der Erläuterung von verschiedenen Facetten des christlichen Glaubens angeboten werden: „Aus dem Geheimnis des Universums schimmert ein tieferer Sinn durch, der dem Sinnlosen und Absurden der Welterfahrung mühsam abgerungen ist und sich an den Erfahrungsmomenten festhält, in denen durchbricht, dass diese Welt zum Guten hin geschaffen sein könnte. Wo Menschen in ihrer Erfahrungswelt auf Spuren dieses Sinnes stoßen, begegnen sie der Erhabenheit und Güte des Weltgrundes. Darum ist Schöpfungsglaube vor allem Dankbarkeit.“ (98)

Ein Personenregister und Hinweise zu weiterführender Literatur runden das Werk ab und laden zur weiteren Beschäftigung ein. Eine solche ist insbesondere über die umfangreicheren kulturgeschichtlichen Werke des Autors („Die Verzauberung der Welt. Eine Kulturgeschichte des Christentums“ und „Der heilige Geist. Eine Biografie“) möglich, die dieser Einführung als Referenz dienen. Dieses Büchlein kann also für Interessierte am Christentum – als kulturelles Phänomen oder aus eigener Glaubensüberzeugung –, für Studierende der Theologie und Religionswissenschaften sowie für theologisch Vorgebildete eine gute Empfehlung einer fundierten und anregenden Einstiegs- oder Auffrischungslektüre sein.

Geschichte – Lebensform – Kultur
C.H. Beck Wissen
München: C.H. Beck Verlag. 2022
128 Seiten m s-w Abb.
9,95 €
ISBN 978-3-406-78193-3

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