Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Kardinal Óscar Rodríguez Maradiaga: Papst Franziskus und die Kirche von morgen

Interviews mit führenden Kirchenmännern haben Konjunktur. Benedikt XVI. nutzte dieses Instrument bereits, ebenso sein Nachfolger Franziskus. Interviews haben den Vorteil, dass unterschiedliche Themen angesprochen werden können. Das Gespräch mit dem honduranischen Kardinal Rodriguez Maradiaga ist voller Facetten. Aufgewachsen in einem Internat der Salesianer, nach Ausbildung und Studium als Lehrer tätig, mit 36 Jahren zum Weihbischof ernannt, ist seine große Leidenschaft die Sorge um die Jugend. Als Präsident von Caritas Internationalis war ihm die Sorge für die Krisenregionen der Erde anvertraut. Als Generalsekretär und Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrats kennt er den Episkopat des Kontinents weitgehend persönlich. Mit Kardinal Bergoglio arbeitete er unter anderem bei der Redaktion des Aparacida-Dokuments eng zusammen. Seit dessen Wahl zum Papst ist er Moderator des Kardinalrats K9.

In großer Offenheit spricht der honduranische Kardinal Defizite und Chancen der Kirche von heute an. Er ist ganz auf der Seite des Papstes, wenn er dessen Pontifikat als „Revolution im Zeichen des Evangeliums“ charakterisiert, eine „arme Kirche für die Armen“ einfordert und besonders die Barmherzigkeit als Weg der Evangelisierung lobt. Mit Franziskus kritisiert er das Karrieredenken in der Kirche. Er weiß, dass er selbst innerhalb der römischen Kurie nicht nur Freunde, sondern auch viele Feinde hat. Dennoch ist der Dialog innerhalb und außerhalb der Kirche für Rodriguez Maradiaga der Weg, den die Kirche einzuschlagen hat.

Deutliche Worte findet der Kardinal, wenn es um den Widerstand gegen die Reformen geht, der von „traditionalistischer Seite“ ausgeht: „Diese Seilschaften der katholischen Rechten bestehen aus Menschen, die nach Macht streben, nicht nach Wahrheit.“ (123) Loyalität müsse eine wichtige Eigenschaft, gerade von Kardinälen, sein: „Für einen Diener der Kirche ist die Loyalität zu Petrus unverzichtbar. Und dieser heißt heute nun mal Franziskus! Vorher trug er den Namen Benedikt XVI. und davor Johannes Paul II. und so weiter.“ (124)

Dass die Reform der Kurie Schritt für Schritt vor sich geht, ist Teil des Programms von Papst Franziskus. Rodriguez Maradiaga beschreibt diesen Prozess, in dem zunächst die Wirtschaftsverwaltung neu geordnet werden musste (Vatikanbank), dann die Kommunikation, bevor es an die Reform der übrigen Behörden ging. Klar äußert er sich dazu, dass der Kardinalsrat als Element der Kollegialität auch weiterhin bestehen bleiben werde.

Viele Einzelheiten sind eingebettet in ein leicht lesbares Interview, dessen Brisanz sich erst dann erschließt, wenn man zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Die katholische Kirche ist ein komplexes Gebilde aus Heiligen und Sündern – der Kardinal aus Honduras illustriert diese Wahrheit mit der Lebenserfahrung von 76 Jahren.

Revolution im Zeichen des Evangeliums
Ein Gespräch mit Antonio Carriero

Aus dem Italienischen von Elisabeth Liebl
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2018
139 Seiten
16,00 €
ISBN 978-3-579-08708-5

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