Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Klaus von Stosch: Herausforderung Islam

Christliche Annäherungen

Zugegeben: Von einem „Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften (ZeKK)“ habe ich erstmals im Sommer 2016 gehört, als nämlich die Veröffentlichung des hier zu besprechenden Buchs bevorstand. Sein Autor, Dr. Klaus von Stosch, Professor für Kath. Theologie und ihre Didaktik, Jahrgang 1971, leitet dieses Institut an der Universität Paderborn bereits seit 2009. Er hat es initiiert und wesentlich geprägt. Namhafte muslimische und jüdische Theologinnen und Theologen arbeiten an diesem interreligiösen Projekt mit und veranstalten Begegnungen von Studierenden vor Ort: in Deutschland, im Iran, in Ägypten und anderswo.

Es geht nicht um vergleichende Religionswissenschaft, obwohl deren Ergebnisse aufmerksam zur Kenntnis genommen werden. Es geht vielmehr um Begegnung von bekennenden Juden, Christen und Muslimen, um Kennenlernen der authentischen religiösen Praxis der Partner – nach dem Motto „Erzähl mir von deinem Glauben und deiner Spiritualität“. Eine Frucht dieses langjährigen Dialogs auf hohem theologischem Niveau ist das vorliegende Buch.

Es beginnt mit dem für das Jahr 2016 absolut zutreffenden Satz „Der Islam hat derzeit keine gute Presse.“ (7) In seiner Einleitung legt von Stosch dar, dass bislang christliche Theologie zu oft an der Entstehung eines Zerrbilds vom Islam beteiligt war: „Selbst Kirchenvertreter können mitunter der Versuchung nicht widerstehen, sich auf Kosten des Islam zu profilieren.“ (7) Er will sich von der Rolle des christlichen Theologen verabschieden, der sich als „theologischer Entwicklungshelfer“ versteht und „dem noch im Mittelalter verharrenden Islam helfen soll, endlich in der Moderne anzukommen“ (8). Stattdessen will er sich von muslimischen Stimmen bereichern lassen – ohne seinen christlichen Standpunkt preiszugeben.

Von Stosch behandelt zunächst Entstehung und Lesarten des Korans. Er zeichnet das Leben und die Bedeutung des Propheten Muhammad nach; ganz bewusst benutzt er die Schreibweise „Muhammad“, weil sie von seinen deutschsprachigen islamischen Partnern als angemessen verwendet wird.

Am Ende einiger Kapitel spitzt der Autor das jeweils Dargestellte auf eine Entscheidungsfrage zu: „1. Der Koran – ein Wort Gottes für Christen? – 2. Muhammad – ein Prophet auch für Christen? – 3. Glauben wir an denselben Gott? – 4. Mehr Scharia wagen?“ In seinen Antworten entlarvt er diese gern gestellten Fragen als zu pauschal und zu vereinfachend. Er bevorzugt differenzierende und weiterführende Fragen. So empfiehlt er, „nicht zu fragen, ob wir an denselben Gott glauben, sondern wie sich unsere Gottesbilder zueinander verhalten“ (79). Besonders spannend ist m. E. die auf nur fünf Seiten (79 ff) dargestellte Trinitätskritik des Korans, die aus dem historischen Kontext heraus erklärt wird. Welchen christlichen und jüdischen Gruppen auf der Arabischen Halbinsel begegnete der entstehende Islam? Welche Theologien bzw. Häresien prägten sein Bild vom Christentum? – Mit seinen Antworten, die fast immer präzise auf Koranstellen verweisen, gibt von Stosch keine fertigen Formeln, sondern Anregungen zur eigenen Urteilsfindung.

Man merkt der Studie an, dass ein gewichtiger Forschungsschwerpunkt der komparativen Theologie seit 2010 das Thema „Jesus im Koran“ ist. Die über 100 Koranverse, in denen Jesus vorkommt, werden systematisch gemeinsam untersucht, vor allem im Hinblick auf den jeweiligen historisch-theologischen Kontext. Die oftmals verblüffenden und erhellenden Ergebnisse tauchen an vielen Stellen des Buchs auf und führen den interessierten Leser zu regelrechten „Aha-Erlebnissen“.

Für Religionslehrerinnen und -lehrer besonders lesenswert ist das Kapitel über die sog. fünf Säulen des Islams, die ja in jedem Religionsbuch vorkommen. Hier eröffnet von Stosch einen detaillierten, kenntnisreichen christlichen Zugang, indem er ganz persönliche Begegnungserfahrungen mit historischen Einsichten verbindet. Das Unterkapitel über die Scharia (107ff) wendet sich gegen die in den Medien oft polemische und irrationale Verwendung des Begriffs und setzt eine knappe, aber präzise Erklärung dagegen. Außerdem wird das intensive Ringen in der islamischen Welt um die Auslegung der Scharia dargestellt.

Insgesamt will von Stosch zu einer intensiven Begegnung mit dem Islam einladen. Dabei soll es sowohl um Verstehen und intellektuelles Lernen als auch um Anteilnehmen an religiöser Praxis gehen. Das innovative Buch ist allen zu empfehlen, die als Christen mehr vom Islam verstehen möchten und Anregungen für das interreligiöse Gespräch suchen.

Paderborn: Ferdinand-Schöningh-Verlag. 2016
208 Seiten
24,90 €
ISBN 978-3-506-78494-0

 

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