Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Knut Wenzel: Offenbarung, Text, Subjekt

Der Autor, Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, beschäftigt sich in seinem klar gegliederten, informativen, aus einer Vorlesung erwachsenen Buch mit dem Verhältnis zwischen dem christlichen Glauben an die göttliche Offenbarung und der menschlichen Vernunft. Diesen für die christliche Glaubenslehre zentralen Sachverhalt stellt er in drei Aspekten dar, die jeweils einen Teil des Buches beinhalten.

Aus historischer Sicht setzt Wenzel in der Einleitung (13-45) anschaulich unterschiedliche Auffassungen des Verständnisses und der Eigenart der Fundamentaltheologie voneinander ab. Danach skizziert er verschiedene Bestimmungen des Verhältnisses zwischen der Offenbarung und der Vernunft (46-57) in der Geschichte dieser Disziplin.

Im zweiten Teil des Buches (57-107) folgt der theologisch-systematische Aspekt: Diese Ausführungen gliedern sich in zwei Abschnitte: Im ersten steht, orientiert an der Hermeneutik Paul Ricoeurs, die Frage nach der „Philosophie der Offenbarung“  im Vordergrund. Im zweiten Abschnitt geht es um die unterschiedlichen Artikulationen der Offenbarung. Diese artikuliert sich in der Bibel in fünf verschiedenen, einander ergänzenden Offenbarungsdiskursen, die dicht und einprägsam referiert werden. Das Ende des Kapitels bündelt die Überlegungen: „Systematische Schlussfolgerungen“ Wenzels beinhalten den Ertrag seiner Darstellung der Diskurse, sodass sich drei Aspekte einer Hermeneutik der Offenbarung ergeben.

Der Schlussteil des Buches (108-159) enthält die Anwendung der Einsichten aus der vorangegangenen Darstellung auf drei konkrete Themenkreise. Ästhetisch gesehen zeigt sich anhand der „Poetologie Gottes“ (116), dass dieser zwar offenbar ist, aber gleichzeitig unverfügbar bleibt. Mit Bezug auf zwei Zeugnisse aus dem Ersten Testament veranschaulicht Wenzel dies eindrucksvoll.

Konsequent schließen sich Überlegungen zur Eigenart von Glauben und Religion und in diesem Zusammenhang auch zur notwendigen Unterscheidung zwischen diesen beiden Phänomenen an. Schon daraus ergeben sich Anstöße für genaue, provozierende Überlegungen über die Kirchlichkeit des Glaubens. Dieser lässt sich nicht am schwindenden Besuch der Sonntagsgottesdienste messen. Dennoch ist die Kirche für das autonome Subjekt „nie so wichtig wie heute“. Das hier anklingende Verhältnis zwischen „Subjekt und Kirche“ entfaltet Wenzel in den erfrischenden, inspirierenden Überlegungen am Ende seines Buches: Die Kirche kann und soll dem einzelnen in der Gemeinschaft Möglichkeiten eröffnen, indem sie dessen gottgewollter „Freiheits-Autonomie“ in ihrem Reden und in ihrem Handeln Rechnung trägt. Die Kirche als Glaubensgemeinschaft realisiert ihre Sendung in der Nachfolge Christi heute darin und damit, dass sie sich auf die „Zuwendung zu einer selbst-tätigen Welt verpflichtet“. Indem sie die Selbsttätigkeit der Menschen vielfältig „zum Zug kommen lässt“ verschafft sie dem Einzelnen „lebensweltliche Beheimatungen“, wodurch dieser „aufblühen und gemeinschaftsproduktive Früchte bringen kann.“

Das lesenswerte wissenschaftliche Buch führt auf sprachlich durchgängig hohem, dem Thema adäquaten Niveau in einen wichtigen Themenkreis der christlichen Glaubenslehre ein. Es erfordert einen aufmerksamen und mitdenkenden Leser, bleibt aber aufgrund des schmalen Umfangs überschaubar, so dass die Rezeption keinen allzu großen Zeitaufwand erfordert. Vor allem der letzte Teil des Buches mit seinen optimistischen Perspektiven und Denkanstößen zur Bedeutung der Kirche für das moderne Subjekt lohnt die Lektüre.

Wenzels Fundamentaltheologie vermittelt Studentinnen und Studenten originelle Verstehensmöglichkeiten und bietet eine interessante Grundlage zum theologischen Gespräch. Religionspädagoginnen und Religionspädagogen können ihr Wissen auffrischen und ihre Kenntnisse erweitern sowie Anregungen zu Unterrichtsthemen wie „Verständnis der Offenbarung“, „Bedeutung des einzelnen in Bezug auf den Glaubensakt und auf den Inhalt des Glaubens“ oder „Situation und Möglichkeiten der christlichen Glaubensgemeinschaft als Beziehungsraum für das heutige autonome Subjekt“ finden.

 

Freiburg: Herder Verlag. 2016

159 Seiten

19,99 Euro

ISBN 978-3-451-34908-9

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