Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Konstantin Lindner / Mirjam Schambeck / Henrik Simojoki / Elisabeth Naurath (Hg.): Zukunftsfähiger Religionsunterricht

Dass der Religionsunterricht zukünftig konfessionell-kooperativ erteilt wird, ist ein breiter Konsens, der nicht nur von Religionspädagogen beider Konfessionen an den Hochschulen und von einem Großteil der Religionslehrer getragen wird, sondern auch von den deutschen Bischöfen. Ihre jüngste Erklärung „Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts“ (2016) nennt der evangelische Religionspädagoge Henrik Simojoki „eine in ihrem ökumenischen und didaktischen Potenzial bahnbrechende Veröffentlichung“. Das Lob ist nicht übertrieben, denn in der Erklärung wird der Fokus der Debatte um die Kooperation von katholischem und evangelischem Religionsunterricht verschoben, weg von den schulorganisatorischen Problemen und hin zu den theologischen und didaktischen Fragen der Kooperation.

Wie soll eine Didaktik der konfessionellen Kooperation konzipiert sein? Um Antworten auf diese Frage bemühen sich die Autoren des vorliegenden Sammelbandes. Dabei gilt es, zwei Straßengräben zu vermeiden. Weder darf sich der konfessionell-kooperativ erteilte Unterricht auf das gemeinsam Christliche beschränken, noch darf er die konfessionellen Differenzen rein konfessionskundlich behandeln. Letzteres würde die ohnehin vorhandene Tendenz zur „Versachkundlichung des Religionsunterrichts“ (R. Englert) nur stärken. Auch der konfessionell-kooperativ erteilte Religionsunterricht soll nicht nur über Religion informieren, sondern die Schüler befähigen, eine eigene begründete Position in religiösen und moralischen Fragen zu finden und zu kommunizieren.

Wie soll nun die Kooperation von katholischem und evangelischem Religionsunterricht didaktisch gestaltet werden? Mirjam Schambeck wertet in ihrem Beitrag die Diskussion um das fächerverbindende Lernen aus, die in der allgemeinen Didaktik seit den 1970er Jahren geführt wird. Ihr Fazit: Fächerverbindender Unterricht setzt klare Fachperspektiven voraus und muss didaktisch organisiert werden. Denn es wäre naiv zu meinen, dass sich die Verbindung der unterschiedlichen Fachperspektiven – also der unterschiedlichen konfessionellen Perspektiven – im Kopf der Schüler von selbst vollzieht. Die Frage, wie die verschiedenen Perspektiven aufeinander zu beziehen sind, ist didaktisch zu beantworten und zu gestalten. Dabei kann das Prinzip der Multiperspektivität, wie es in der Geschichtsdidaktik entwickelt wurde, wertvolle Anregungen geben, wie Jan Woppowa aufzeigt – zumal Perspektivenübernahme seit den 1990er Jahren ein Grundbegriff der Religionsdidaktik ist.

Nimmt man diese Überlegungen ernst, so wird man zukünftig die Aus- und Fortbildung der Religionslehrerinnen und Religionslehrer, aber auch die Lehrpläne beider Fächer und nicht zuletzt die Unterrichtsmaterialien so gestalten müssen, dass sie einen kooperativen Unterricht ermöglichen. Winfried Verburg stellt zu Recht die kirchenamtlich heikle Frage, ob es dann nicht Religionsbücher geben solle, die für den katholischen und den evangelischen Religionsunterricht zugelassen sind.

Die Frage der konfessionellen Kooperation als didaktische Frage zu behandeln, gehört zu den großen Stärken dieses Buches. Leider gerät in manchen Beiträgen die theologische Grundlegung in den Hintergrund. So etwa, wenn einige Autoren in wenigen Sätzen von der konfessionellen Kooperation zur interreligiösen Kooperation überleiten, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass Ökumene und interreligiöser Dialog auf unterschiedlichen theologischen Grundlagen beruhen, die didaktisch relevant sind. Es ist einseitig, konfessionelle Differenzen nur als religionskulturellen Reichtum zu thematisieren. Zumindest einige dieser Differenzen sind Dissense im Verständnis des Evangeliums. Dieses Faktum des konfessionellen Dissenses unterscheidet didaktisch die Kooperation von katholischem und evangelischem Religionsunterricht vom fächerverbindenden Unterricht etwa in den Naturwissenschaften. Es ist zu wünschen, dass diese Einsichten in eine zukünftige Didaktik der konfessionellen Kooperation berücksichtigt werden.

Konfessionell – kooperativ – kontextuell
Freiburg: Herder Verlag. 2017
454 Seiten
38,00 €
ISBN 978-3-451-37802-7

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