Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Leonardo Sapienza (Hg.): Papst Paul VI. Segeln im Gegenwind

Im Umfeld der Heiligsprechung von Paul VI. am 14. Oktober 2018 erschien dieses Buch mit Dokumenten aus dem Pontifikat. Sorgfältig kommentiert und erläutert der Herausgeber Leonardo Sapienza, zumeist mit wenigen Worten, einige Aspekte der veröffentlichten Auszüge aus den Schreiben, Predigten und Briefen des Montini-Papstes. Für die Einbettung in den jeweiligen kirchengeschichtlichen Kontext erweist sich diese Vorgehensweise als sehr hilfreich. Die Verehrung, die der Herausgeber dem Papst gegenüber empfindet, ist besonders am Anfang spürbar.

Der Band bietet eine reichhaltige Auswahl von Faksimiles handschriftlicher Aufzeichnungen, ebenso päpstlicher Schreiben, und, kirchengeschichtlich besonders interessant, ein Protokoll des Gespräches von Paul VI. mit Erzbischof Marcel Lefebvre vom 11. September 1976. Deutlich wird, wie intensiv Paul VI. sich bemühte, das Schisma zu verhindern. Erzbischof Lefebvre sagte in dem Gespräch etwa, als könne er dem Papst etwas Neues mitteilen: „Wissen Sie, dass in Frankreich beim eucharistischen Hochgebet mindestens 14 verschiedene Kanons verwendet werden?“ Liturgischer Eigensinn, von dem Paul VI. ausgerechnet durch Lefebvre erstmals erfahren muss? Der Papst erwidert: „Nicht vierzehn, sondern an die hundert …“ Zugleich bestreitet er bestehende Missstände nicht, betont aber energisch, dass das Konzil so vieles Gute mit sich gebracht habe. Es gebe „Anzeichen für einen kraftvollen geistlichen Wiederaufschwung unter den Jugendlichen, für ein gewachsenes Verantwortungsgefühl bei den Gläubigen, den Priestern, den Bischöfen“. Trotz inständiger Bitten um die Wahrung der Einheit der Kirche scheitert der redliche Versuch einer Versöhnung.

Auch in dieser Stunde mag Paul VI. besonders gespürt haben, was er während Konzils in einer Ansprache an den römischen Klerus ausgeführt hat: „Ich bin Stellvertreter Christi. Meinen Sie, diese Worte ließen mich unbeeindruckt oder es erfüllte mich nicht mit Beklommenheit, sie auch nur auszusprechen?“ Der Papst bittet inständig: „Helfen Sie mir! Helfen Sie mir, meine Aufgabe zu erfüllen.“

So spricht Paul VI. am 15. Jahrestag der Papstkrönung von der Last und Bürde der „hohen Verantwortung“, die er trage, die angefochtene Enzyklika „Humanae vitae“ auch zehn Jahre nach der Publikation noch immer verteidigend. Gleichsam summarisch erklärt er seine Amtsführung: „Nur in der Treue zur Lehre Christi und der Kirche, wie sie uns durch die Väter überliefert ist, können wir jene Überzeugungskraft und Klarheit des Geistes und der Seele haben, die der reife und bewusste Besitz der göttlichen Wahrheit verschafft.“

Oft, so zeigt dieser Band, lädt Paul VI. zur Freude am Glauben ein. 1964, noch während des Konzils also, fragt er während einer Generalaudienz: „Bin ich froh und stolz, ein Christ zu sein?“ Jeder Christ, noch heute, kann sich diese Frage stellen, ganz ernsthaft. Oft ermutigt Paul VI. – wie Papst Franziskus heute – zu einer Glaubensfreude, die wahrhaft den Einzelnen bewegt, belebt und befreit. Das „christliche Leben“ sei nicht „statisch“, sondern „dynamisch“. Er weiß aber auch: „Das Schifflein Petri fährt in stürmischer See.“ Aber Paul VI. warnt davor, zu sehr auf „Umfragen“ zu vertrauen oder dem „Druck der öffentlichen Meinung“ gehorchen zu wollen. Mit „grenzenloser geistlicher Sympathie“ denkt er an die Jugendlichen und bekräftigt: „Großes Vertrauen setzen wir ferner in die verständnisvollen und schweigsamen Seelen, die mit ihren Bischöfen und mit uns beten und hoffen und leiden und die in sich selbst die neue Kirche, die lebendige Kirche, die heilige Kirche wiedergebären.“ Die Kirche brauche – so sagt er 1969 – „starke Seelen“, fünf Jahre später: „Was braucht die Kirche heute? Die Kirche braucht Liebe!“ Wer wollte dem heiligen Paul VI. widersprechen?

Dokumente eines bewegten Pontifikats
Aus dem Italienischen von Gabriele Stein
Ostfildern: Patmos Verlag. 2018
288 Seiten m. Abb.
24,00 €
ISBN 978-3-8436-1114-5

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