Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Manfred Eder: Kirchengeschichte in Karikaturen

Cartoons und Karikaturen sind aus dem Bild- und Medienzeitalter nicht mehr wegzudenken. Stets sind sie kritisch provozierend und streuen allzu oft Salz in die wunden Gemüter aus Politik und Religionsgemeinschaften. Spätestens seit dem Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo wissen wir wieder um die Sprengkraft, die sie entfalten können. Sie fordern schonungslos zur Auseinandersetzung mit der aktuellen Wirklichkeit heraus und verstehen es in zugespitzter Form, über Verknüpfungen mit vergangenen Ereignissen zum Nachdenken über die Gestaltung der Zukunft anzuregen. Sie hermeneutisch zu entschlüsseln, ist daher nicht immer einfach und bedarf einiger Kompetenzen.

Die Geschichtsdidaktik hat dies längst erkannt und nimmt die Karikatur als historische Quelle zunehmend in den Blick, um über kritische Analyse Geschichte einmal anders als über vermeintliche Fakten zu vermitteln. Daran möchte Manfred Eder mit seiner kirchenhistorischen Einführung über die Epoche von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart anknüpfen und schafft damit einen für Theologen ganz neuen Zugang zur Historie der Kirche. Ziel der unterhaltsamen Aufarbeitung der Geschichte anhand von 110 sehr überlegt ausgewählten Abbildungen ist es, „in den Bildern lesen zu lernen“. Das Buch bietet neben einer etwas knappen Hinführung zur Interpretation von Karikaturen und der Beleuchtung von Lernchancen eine umfassende und thematisch-chronologisch geordnete Karikaturensammlung mit individuellen Schwerpunktsetzungen. Dabei liegt der Fokus auf Deutschland und der katholischen Kirche. Evangelische oder ökumenische Kirchengeschichte bleibt leider außen vor. Hier ist Spielraum für weitere Einführungswerke.

Die Auseinandersetzung mit Karikaturen erfordert ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen und die Bereitschaft zur kritisch-reflektierenden Wahrnehmung von Kirche. Die Auswertung der gewählten Karikaturen ist erfreulich ausführlich. Jede Karikatur wird in allen Einzelheiten beschrieben, der historische Hintergrund erläutert und erklärungsbedürftige Begriffe oder Sachverhalte in Info-Boxen ausgeleuchtet. Die Info-Boxen sind in manchen Fällen jedoch schlecht platziert, denn sie unterbrechen mitunter den Lesefluss, da sie zum Teil inmitten von Sätzen eingefügt werden. Die Markierung wichtiger Begriffe und Personen in roter Schriftfarbe sowie der Verweis auf weitere Karikaturen in kleinen Kästchen erleichtern die Orientierung und ermöglichen eine schwerpunktartig-selektive Lektüre. Die Hauptkarikaturen werden ergänzt durch zusätzliche Abbildungen und Graphiken. Am Ende des Buches erscheint eine sinnvolle Tabelle mit einer chronologischen Auflistung wichtiger historischer Ereignisse, in die die Karikaturen eingebettet werden.

Auch wenn dieses Buch nicht an die Bandbreite der Themen eines klassischen Einführungswerkes heranreicht – was ausdrücklich nicht angestrebt wurde –, punktet diese individuelle Herangehensweise damit, dass eine rezipientenorientierte Themenwahl statt einseitiger Orientierung an den „großen“ Themen der Kirchengeschichte stattfindet. Manchmal sind es nämlich die randständigen Themen, die die breiten Leserschichten einer Epoche mehr bewegen als die historisch bedeutsamen Entwicklungen. So greifen kirchenkritische Karikaturen eben auch Themen wie die Auseinandersetzung des kirchlichen Lehramts mit modernen Anliegen wie die Laienpredigt oder die Stellung der Frau in der Kirche in zwei frappierend ähnlichen Karikaturen von 1908 und 1996 auf oder rekurrieren auf die „reisenden Päpste“ seit Johannes Paul II.

Alles in allem wird dieses Einführungswerk dem Anspruch des Autors völlig gerecht, die Aussagekraft von zum Teil noch nie kommentierten Karikaturen wissenschaftlich fundiert und gut lesbar als neuen Zugang für kirchenhistorisches Arbeiten in Schule und Universität fruchtbar zu machen. Die Lektüre macht Lust, selbst aktiv zu werden und sich mit weiteren historisch relevanten Bildwerken auseinanderzusetzen. Das Buch ist uneingeschränkt empfehlenswert und lässt auf Nachfolgewerke hoffen, die weitere Epochen in den Blick nehmen.

Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart
Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag. 2017
456 Seiten mit s-w u. farb. Abb.
39,00 €
ISBN 978-3-7867-3101-6

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