Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Matteo Ricci: Über die Freundschaft

 

Der italienische Jesuit Matteo Ricci (1552-1610) war ein wichtiger Vermittler zwischen dem Westen und dem Osten, zwischen dem Christentum und dem Konfuzianismus. Sein Orden schickte ihn nach China, wo er ab Ende des 16. Jahrhunderts wirkte und durch seine Kenntnisse in der Mathematik, in der Kartographie und in den Naturwissenschaften, aber auch in Geschichte und Philosophie die dortigen Gelehrten beeindruckte. Ricci wusste um die Rolle der Freundschaft in der Kultur Chinas und widmete sein erstes chinesisches Buch diesem Thema. Seine Zusammenstellung von Zeugnissen über die Freundschaft von klassischen Denkern der westlichen Kultur – von Sokrates, Platon und Aristoteles über Cicero und Seneca bis hin zu christlichen Autoren wie Augustinus oder Ambrosius – sollte seinen chinesischen Freunden einen Eindruck von seiner eigenen Tradition vermitteln.

Dem Buch wie dem Herausgeber waren ein nachhaltiger Erfolg beschieden. Ricci selbst tauchte tief in die chinesische Kultur ein und lernte nicht nur die Sprache, sondern trug auch die Kleidung konfuzianischer Gelehrter. Der Kaiser selbst ordnete nach seinem Tod an, dass man ihm ein großzügiges Grab herrichte. In Europa stieß seine Art einer für fremde kulturelle Traditionen offenen Mission mittelfristig nicht auf eine ähnliche Wertschätzung. Nach seinem Tod führte der Ritenstreit zu einer anderen, letztlich erfolglosen Form der China-Mission.

Nun liegt sein erstmals in Peking im Jahr 1601 gedrucktes Werk „Über die Freundschaft“ in einer neuen Übersetzung von Michael Sievernich S.J. vor, der in seiner Einführung kenntnisreich in das abenteuerliche Leben und Werk seines jesuitischen Mitbruders einführt. Riccis Buch über die Freundschaft ist allerdings nicht allein von historischem Interesse, sondern von bleibender Aktualität. Die Gedanken zur Freundschaft, die Ricci versammelt, zeigen die Zeiten und Kulturen übergreifende Bedeutung von Freundschaft und sprechen auch heutige Leserinnen und Leser an: „Der Freund ist der Reichtum des Armen, die Kraft des Schwachen, die Medizin des Kranken." (128) Gerade im gegenwärtigen weltkirchlichen und geo-politischen Kontext ist dieses Buch aber noch aus einem anderen Grund von Interesse. Denn es ist ein bedeutendes Beispiel für das, was heute interkultureller Dialog genannt wird. Ricci ließ sich auf seine Gesprächspartner ein und führte auch mittels dieser Publikation ein freundschaftliches Gespräch mit ihnen. Es ist eine offene Frage, wie die Geschichte nicht nur des Katholizismus, sondern des Verhältnisses zwischen China und Europa verlaufen wäre, wenn die katholische Kirche Ricci und sein Verständnis von christlicher Mission, wissenschaftlichem Dialog und kultureller Begegnung ernster genommen hätte.

Dem Verleger Peter Jentzmik ist dafür zu danken, dass sein Glaukos Verlag – bekannt für bibliophil gestaltete Bücher – dieses Bändchen in so schöner, ansprechender Ausstattung herausgebracht hat. „Eine Welt ohne Freunde ist wie ein Himmel ohne Sonne oder ein Leib ohne Augen", kann man auf dem orangenen Leinencover in einer goldfarbenen Prägeschrift lesen. Wie wahr!

Erstdruck Peking 1601
Übersetzt und mit einer Einführung herausgegeben von Michael Sievernich
Limburg: Glaukos Verlag. 2022
164 Seiten
24,80 €
ISBN 978-3-930428-46-5

Zurück