Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Matthias Gockel mit Oliver Kobold: Sterbehilfe

Der Internist Dr. med. Matthias Gockel ist leitender Oberarzt der Palliativmedizin im Vivantes-Klinikum im Friedrichshain in Berlin. Sie ist die dritte Palliativstation, die er in leitender Funktion betreut – und an den Stellen des Buches, wo Gockel von seinen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten berichtet, merkt man diese Erfahrung an. Hier spricht jemand, der sich einem komplizierten, oftmals mit Angst besetzten Thema stellt.

Das Buch ist Teil einer Reihe, in der der Piper-Verlag Orientierung in drängenden gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Themen anbietet. Die Bände, so der Verlag, „kommen sofort auf den Punkt, sind von erfahrenen Autoren geschrieben und sehr gut lesbar – ohne akademischen Ballast“. Das Buch „Sterbehilfe“ besteht deshalb aus vielen kleinen informativen Kapiteln (2-4 Seiten). Es reagiert auf die Debatte, die durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil, Artikel 217 StGB (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung) sei verfassungswidrig, im Parlament, in der Ärzteschaft wie in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde.

Die Kapitel helfen, mit überkommenen Kategorien wie aktive, passive und indirekte Sterbehilfe aufzuräumen und die Sterbehilfepraxis in den Niederlanden, der Schweiz oder den Vereinigten Staaten kennenzulernen. Gockel lässt Statistiken sprechen und verschiedene kritische Stimmen in kurzen Zitaten zu Wort kommen – damit schafft er es, die Ambivalenz, die gesellschaftlich zu dem Thema Suizidassistenz gehört, abzubilden.

Auch seine eigene Profession nimmt er in den Blick: nicht jeder Arzt und jede Ärztin setze sich mit dem Sterben auseinander, weshalb viele das Thema zu spät mit ihren Patientinnen und Patienten ansprächen und damit die Chance auf eine gute ganzheitliche Behandlung am Lebensende vergäben.

„Können Ärzte überhaupt gute Sterbehelfer sein?“ Diese zentrale Frage beantwortet Gockel mit einem ehrlichen „Einerseits – andererseits“. Ebenso ehrlich ist er bei der Frage, ob wir mehr Hospize benötigten und ob die Stärkung der Palliativmedizin den Wunsch nach Suizidassistenz aufheben wird. Das Buch kennt keinen Königsweg – für viele Leser und Leserinnen wird dies von Wert sein, für Menschen, die Halt suchen, eine Beunruhigung.

Für Pädagoginnen und Pädagogen ist das Buch eine gute Möglichkeit, sich zügig den notwendigen Hintergrund zu verschaffen, um ethische Fragestellungen zu entwickeln. Um die Praxis kritisch zu hinterfragen, braucht es vertiefender Literatur.

33 Fragen – 33 Antworten
München: Piper Verlag. 2020
128 Seiten
10,00 €
ISBN 978-3-492-31720-7

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