Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Matthias Kopp: Franziskus im Heiligen Land

Päpste als Botschafter des Friedens: Paul VI – Johannes Paul II – Benedikt XVI – Franziskus

Die vier Papstreisen der modernen Päpste bilden ein faszinierendes Einzelthema. Matthias Kopp stellt es ohne Parteinahme dar, wenn er nur die Geschichte der päpstlichen Fahrten erzählt und die Geschichte Palästinas ausspart; diese Beschränkung ist bei solch kontroverser Thematik sinnvoll. So wird aus 50 Jahren einer sehr speziellen Geschichte das dargestellt, was die beteiligten vier Päpste gemacht und gesagt haben. Am Ende steht die Episode Franziskus 2014. Ein road movie der Diplomatie-Faction.

Das Webmuster heißt wachsende Nähe. Entstanden ist das Buch in mühsamer Sammlerarbeit, zusammengetragen nach ungesagten Kriterien. Die Quellen sind offensichtlich Reisepläne, Bulletins und vatikanische Mitteilungen; kaum findet sich ein zusammenhängendes aufschlussreiches Originalzitat. Das wirkt oft diplomatisch trocken – ein Drama sieht anders aus.

Dabei lag der dramatische Stoff Kopp vor den Füßen: Die Geschichte Israels seit 1960 oder, wenn er sich denn auf Vatikanisches versteifen wollte, die Geschichte eines himmelstürzenden Umbruchs. Kopp weiß doch um die heiße Entstehungsgeschichte von Nostra aetate, der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, insbesondere Kapitel 4, realisiert aber nicht, dass hier die Pilgerfahrten ihren Anfang und ihren Rechtstitel finden. Am Anfang stand Johannes XXIII. und der epochenwendende Durchbruch zur Konzilserklärung mit den Festlegungen im ersten Entwurf 1963, die Kirche sei „geistige Fortführung“ des Volkes Israel, sie „liebt“ das Land Abrahams und verurteilt jede Verfolgung. Nostra aetate markiert a) eine schwindelerregende Umkehr zur Bescheidenheit: Katholiken verstehen sich nicht mehr als Chefs ewiger Wahrheiten, sondern als ein Teil des Geschlechtes der Gottsucher; b) ein Schuldeingeständnis, ja die Erkenntnis, in einem Lügengewebe (die „Gottesmörder“, Hostienschänder, oder die „perfiden Juden“ der Karfreitagsliturgie) verstrickt gewesen zu sein und damit das Ende der grenzenlosen antijüdischen Borniertheit des durchschnittlichen katholischen Offiziellen in Westeuropa; c) den Beginn des skandalösen nachkonziliaren Schismas der Traditionalisten und d) den ängstlichen Anfang von Empathie im Kampf in und um Israel.

Dies scheint mir eine näherliegende Chronologie zu sein: Am Anfang ein wuchtiger Beginn unter dem Motto der Selbstbestimmung durch Gewissenserforschung; dann viel Leerlauf einer erfolglosen Gründergeneration; endlich die schiere Verzweiflung angesichts des „balkanischen Sumpfes“ Nahost; und schließlich heute ein Neuanfang mit schüchternen Gesten wie die Einladung an die Konfliktparteien zum gemeinsamen Gebet oder der meditative Stopp an der Betonmauer. Neu ist daran: Kirche/Papst engagieren sich als „Sanitäter“ (Franziskus) im Heiligen Land. Sanitäter und Gesten: diese Kombination ist riskanter als reine Diplomatie; aber auch mutig, sachtypisch und nötig, um den Gebrauch der Maske peinlich berührter Neutralität zu verlernen. 

Kopps aufzählende Darstellung wirkt hilfreich in Zeiten wahnhafter Schuldzuschreibungen und Verschwörungstheorien um „die Juden“ und „den Vatikan“. Sie schafft einen Steinbruch an Informationen und Ansätzen zur Suche. Das Buch schreit geradezu nach forschenden Schülergruppen und Kontaktversuchen nach Israel. Das Problem der Darstellung entsteht durch die Touristenperspektive: Auf vielen Stationen passiert viel, irgendwie alles, aber wenig wird klar. Irgendwie handeln die kirchlich Mächtigen immer wieder lieb und weise. Erklärungen und Probleme blinken nur gelegentlich durch. Und für Schüler würden Empathie einfordernde Szenen wahrscheinlich um mehr Aufmerksamkeit heischen, als zum x-ten Male fromme Sprüche oder ausgewogene Gesten bewundern zu dürfen.

Am Ende kommt heraus, wie durchgeplant und „diplomatisch“ die Reisen und Reden waren. Falls das tatsächlich so war: Gut, das auch zu sagen. Aber warum muss der Berichterstatter ebenso Diplomatie walten lassen? Wäre es nicht einfacher und sinnvoller, die Dauer-Diplomatie zu benennen und dann zu diskutieren, ja zu bewerten und angesichts erwiesener Wirkungslosigkeit Alternativen zu fordern?

Kevelaer: Butzon & Bercker. 2014
336 Seiten
19,95 €
ISBN 978-3-7666-1880-1

 

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