Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Melanie Peetz: Das biblische Israel

Geschichte spielt sich in Raum und Zeit ab. Dass insbesondere biblische Texte nicht unabhängig von Raum und Zeit entstanden sind, zugleich aber über historische Wahrheiten hinausgehen, muss immer wieder neu vor Augen geführt werden, um nicht der Gefahr eines naiven Bibel-Positivismus zu erliegen. Eine hervorragende Hilfe, um gerade für alttestamentliche Texte deren Verwobenheit in Raum und Zeit zu sehen, ist Melanie Peetzs „Das biblische Israel“. Ihr gelingt es, die Dimensionen von Raum und Zeit, die geographischen, geologischen und historischen Grundbedingungen alttestamentlicher Texte kompakt und äußerst gut lesbar darzustellen.

Das Buch gliedert sich – abgesehen von der Einleitung und dem Anhang – in acht große Abschnitte, die sich an Epochen orientierten. In der Einleitung geht die Autorin im Wesentlichen auf die Quellenlage biblischer und außerbiblischer Texte sowie auf die geopolitische Lage Israels ein. Die Einleitung darf gewissermaßen als eine sehr kompakte Tour dʼhorizon zum Alten Testament verstanden werden.

Die dann folgenden großen Abschnitte sowie die größeren Unterkapitel sind allesamt parallel, klar und gut nachvollziehbar aufgebaut; so findet sich beispielsweise zu Beginn jedes Epochen-Abschnitts ein Überblick, in dem Melanie Peetz die jeweilige Epoche skizziert und die großen Linien aufzeigt, die diese prägen. Das verhilft zu einer strukturierten Lektüre und erleichtert insgesamt das Lesen bzw. das Nachschlagen, wenn man sich nur über einen Abschnitt innerhalb einer Epoche informieren möchte.

Zahlreiche Karten und Abbildungen, die zielführend ausgewählt sind, bereichern den Textfluss und verdeutlichen die textliche Darstellung; zudem weisen die Karten und zugehörigen Legenden eine gut lesbare Schriftgröße auf. Lediglich beim Bild, das Samaritaner beim alljährlichen Pessachfest zeigt (Abb. 29, 233), stellt sich die Frage, ob nicht ein jüngeres Foto hätte verwendet werden können.

Man merkt, dass Melanie Peetz einen breit gefächerten Adressatenkreis im Blick hat und nicht nur einen fachlich spezialisierten Leserkreis. Das Buch kommt ohne Fußnoten aus, in denen die Autorin möglicherweise unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze und Ergebnisse hätte darlegen können; vielmehr gelingt ihr durchgängig eine kurze, prägnante Darstellung von Positionen, die deutlich werden lassen, dass an dieser oder jener Stelle die Wissenschaft sich nicht einig ist; aber im Sinne der großen Linien wird nicht näher darauf eingegangen. Im Fußball würde man das möglicherweise als „Vorteil gelten lassen“ bezeichnen. Zudem fließen in die Darstellung fast unterschwellig und zwischen den Zeilen auch Aspekte biblischer Literaturgeschichte mit ein. Beispielhaft sei auf die Seiten 77/78 verwiesen, wo auf die Genese von 1 Sam 1 bis 1 Kön 11 verwiesen wird oder darauf, dass der entsprechende Endtext dieser Bücher wohl erst im 3. Jh. v. Chr. abgeschlossen wurde.

Für einen universitären oder auch schulischen Leserkreis fallen die Übungsaufgaben, mit denen die Epochen-Abschnitte enden, angenehm auf: Denn diese Aufgaben folgen nicht einem Schema von W-Fragen („Wer hat wann was getan?“), sondern die Aufträge sind kompetenzorientiert und setzen Wissen und Urteilsfähigkeit voraus, wie etwa folgender Auftrag: „Bitte diskutieren Sie folgende These: Das Volk Israel ist in Ägypten entstanden und hat nach einer vierzigjährigen Wüstenwanderung das Land Kanaan von außen militärisch erobert.“ (67) Bei den einzelnen Verzeichnissen zu Infokästen, Stammbäumen etc. (vgl. 284) hätte sich der Rezensent zusätzlich ein Verzeichnis der zahlreich abgebildeten und wertvollen Landkarten vorstellen können. Das Literaturverzeichnis bietet hervorragende Hinweise zu Primär- und Sekundärliteratur, ohne überladen zu sein (mit dem Adressatenkreis im Blick!). Doch gerade weil Internetsuchmaschinen mitunter zweifelhafte Informationen liefern, wäre es sehr hilfreich gewesen, auf einige fundierte und damit zitierwürdige Internetseiten hinzuweisen.

Der besondere Charme dieses Buches liegt nach Ansicht des Rezensenten jedenfalls darin, dass die Autorin sich nicht in Fachdiskussionen versteigt, dennoch fachlich absolut fundiert schreibt und dabei die großen Linien des (kultur-)historischen und geopolitischen Hintergrundes alttestamentlicher Texte ansprechend aufzeigt. Dadurch ist dieses Buch bestens geeignet für Studierende im Grundstudium, für Begleiter von Reisegruppen und für Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Studien- und Pilgerreisen ins Hl. Land. „Das biblische Israel“ ist rundum empfehlenswert!

Geschichte – Archäologie – Geographie
Freiburg: Herder Verlag. 2018
296 Seiten m. Karten u. s-w Abb.
28,00 €

ISBN 978-3-451-38048-8

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