Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Michael Landgraf: Fernöstliche Religionen

Holi – das ist ein unter jungen Menschen beliebtes „Farbgefühle Festival“, ein buntes Partyspektakel. Aber nicht doch: „Holi – das ist einer der wichtigsten Feiertage im Hinduismus.“ Das indische Fest zur Ehrung von Gottheiten und zur Begrüßung des Frühlings ist als Kulturfest der Farben nach Deutschland geschwappt. Michael Landgraf greift diese und andere Anverwandlungen und Umdeutungen fernöstlicher Traditionen in unserer Gegenwartskultur auf und nimmt sie zum Ausgangspunkt für eine umfassende und differenzierte Auseinandersetzung mit den Traditionen der fernöstlichen Religionen. Nach dem Motto „Fernost ganz nah“ fordert er Schüler/innen auf, nach Spuren der fernöstlichen Religionen in ihrem Umfeld zu suchen, sie in ihren originären Bedeutungen aufzuspüren und die Verwendung und Entfremdung von Begriffen und Ritualen aus den fernöstlichen Religionen in unserer Alltagswelt kritisch zu hinterfragen.

In dem vorliegenden Band legt Michael Landgraf eine umfassende Text- und Bildersammlung zur Einführung und Erschließung der großen und kleinen Religionen Ostasiens vor. Deutlich im Zentrum der Betrachtung stehen dabei die beiden großen Religionen: der Hinduismus und der Buddhismus. Schamanismus, Konfuzianismus, Daoismus und Schintoismus werden eher knapp auf acht Heftseiten thematisiert. Landgraf stellt in den Bausteinen ausführliches und ansprechendes Textmaterial zur Erschließung von Weltbildern, Gottesvorstellungen, Gesellschaftssystemen, heiligen Schriften, Festen, Gebetshäusern, Symbolen und Riten ebenso wie zu Informationen zu zentralen Vertretern der jeweiligen Religionen zur Auswahl, um Schüler/innen an das teilweise völlig andere Denksystem der fernöstlichen Religionen heranzuführen. Den Bausteinen vorangestellt ist dabei eine knappe theologische und philosophische Einführung in das fernöstliche Denken sowie ein kleines Lexikon. Es folgen einige didaktische Hinweise und ein Überblick über die Inhalte, Kompetenzen und Schwierigkeitsgrade der Materialien und Aufgabenstellungen. Die Bausteine schlagen dabei keine konkrete in sich geschlossene Lerneinheit vor, sondern verstehen sich als Impuls- und Materialgeber für den Aufbau von Unterrichtseinheiten für die Jahrgangsstufen 9-11. Da die Texte folglich nicht aufeinander aufbauen, kann aus der Fülle der Materialien mit Blick auf die jeweilige Lerngruppe geschöpft und es können die Textbausteine frei miteinander kombiniert werden.

Die Materialien und Aufgabenstellungen bedienen alle Anforderungsbereiche und dienen primär der religionskundlichen Auseinandersetzung mit den fernöstlichen Religionen und wollen den Lernenden ein profundes Wissen vermitteln. In besonderer Weise werden die Lernenden immer wieder ermutigt, eigenständig Sachinformationen zu recherchieren oder sie erhalten hilfreiche Internetlinks zur Vertiefung der inhaltlichen Auseinandersetzung. Häufig wird der Transfer im Sinne eines interreligiös-komparativen Vergleichs angeregt, wobei Schüler/innen aufgefordert werden, nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den fernöstlichen Religionen und dem Christentum zu suchen. Schade ist, dass die fernöstlichen Religionen selbst, v.a. Hinduismus und Buddhismus, nicht miteinander verglichen werden und somit die auffälligen Gemeinsamkeiten in den spirituellen Begrifflichkeiten auf der einen und die erheblichen theologischen Unterschiede auf der anderen Seite ungeklärt bleiben.

Seltener wird in den Bausteinen eine begegnungsorientierte, affektive und existenzielle Auseinandersetzung mit den fernöstlichen Religionen angeregt, die auch Landgraf als wichtige Dimensionen interreligiösen Lernens ausweist. Doch werden die Lernenden beispielsweise dazu ermutigt, Kontakt zu hinduistischen oder buddhistischen Gemeinden vor Ort aufzunehmen, die Mudras (Handstellungen) und Asanas (Körperhaltungen) probeweise einzunehmen und nachzuspüren oder sich von den Worten Buddhas persönlich ansprechen zu lassen. Hier wären weitere Hinweise wünschenswert gewesen, um das aufgrund der Textlastigkeit stark kognitiv ausgerichtete Material durch weitere ganzheitliche Aufgabenstellungen im Sinne eines learning from religion zu ergänzen.

Michael Landgraf hat mit den ReliBausteinen „Fernöstliche Religionen“ eine informative ideenreiche Handreichung vorgelegt, die eine notwendige und hilfreiche Ergänzung der unterrichtspraktischen Materiallandschaft für das interreligiöse Lernen darstellt – beschäftigen sich doch viele Unterrichtsmaterialien vorranging mit dem trialogischen Lernprozess zwischen Juden, Christen und Muslimen. Buddha-Statuen begegnen Schüler/innen heute im Baumarkt und Trendcafés, Yoga und Ayurveda gehören zum bewussten Lifestyle ihrer Idole – allerhöchste Zeit, sie auf die religiösen Wurzeln und den theologischen Kern dieser aufmerksam zu machen.

 

Stuttgart: Calwer Verlag. 2015

128 Seiten m. s-w Abb.

18,95 €

ISBN 978-3-7668-4286-2

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