Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Michael Wolffsohn: Wir waren Glückskinder – trotz allem. Eine deutschjüdische Familiengeschichte

Als Mann der Versöhnung ist der international renommierte Historiker und Nahostexperte Michael Wolffsohn bekannt geworden. Viele Angehörige gerade meiner Generation haben sich immer wieder gefragt, wie sich ein Mensch, dessen Familie im nationalsozialistischen Deutschland größtes Unrecht erlitten hat, in Wort und Tat so kraftvoll für ein gelingendes menschliches Miteinander einsetzen kann. Das gemeinnützige deutsch-jüdisch-islamische Kultur- und Integrationsprojekt der Gartenstadt Atlantic ist das prominenteste Beispiel des gesellschaftlichen Engagements des emeritierten Professors der Universität der Bundeswehr München und seiner Ehefrau. Völlig schleierhaft ist es daher vielen Zeitgenossen, dass Wolffsohn, der für seine großen Verdienste zahlreiche Ehrungen, unter anderem den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis, erhalten hat, in der öffentlichen Diskussion niemals ernsthaft als Kandidat für das Bundespräsidentenamt gehandelt wurde, obwohl der beeindruckende Intellektuelle sicherlich einer der besten in deren Reihe (gewesen) wäre.

Am 23.04.2021 hat der charismatische Gelehrte nun im dtv-Verlag ein Jugendbuch veröffentlicht, in dem er überaus spannend und anschaulich die wechselvolle Geschichte seiner Familie erzählt. Das Werk sollte in keiner Schulbibliothek fehlen – und es eignet sich hervorragend als (im besten Sinne fächerverbindende) Unterrichtslektüre in einer frühen Phase der Sekundarstufe I. Die biographischen Stationen der Familie Saalheimer-Wolffsohn – Bamberg bzw. Berlin, Flucht nach Britisch-Palästina, Rückkehr nach Berlin – werden eingebettet in den Rahmen deutscher, israelischer und palästinensischer Geschichte. Fragen des gerechten und verantwortungsvollen Zusammenlebens werden – psychologisch subtil und dennoch altersgemäß – ebenso behandelt wie Aspekte des Mitläufertums, der Zivilcourage, der Versöhnungsbereitschaft und des interreligiösen Dialogs. So wie es dem Historiker Wolffsohn in seiner Forschung wie im öffentlichen Diskurs immer gelang, zwischen Schwarz und Weiß auch andere Farbnuancen deutlich werden zu lassen, wirft er in dem vorgelegten Jugendbuch einen wohltuend differenzierten Blick auf das Geschehen im 20. Jahrhundert in Deutschland und Israel bzw. Palästina. Unter dem in jüngster Zeit beinahe in inflationärem Ausmaß zitierten Paradigma der Demokratieerziehung empfiehlt sich dieses inhaltsreiche Werk ganz besonders. Ihm sind viele, nicht nur jugendliche Leser zu wünschen.

München: dtv Verlag. 2021
240 Seiten
14,95 €
ISBN 978-3-423-76331-8

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