Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Nicole Deitelhoff u.a. (Hg.): Mächtige Religion

Das „Begleitbuch zum Funkkolleg Religion Macht Politik“ behandelt interessante aktuelle Themen und reizt zum Weiterlesen. Die Informationen sind zahlreich und korrekt. Das Kolleg erreicht in Begleitzirkeln ein interessiertes, sonst in der kirchlichen Erwachsenenbildung unerreichbares Publikum. Es dient dem sozialen Diskurs auf effektive Weise. Das alles ist ohne Ironie gesagt, es trifft zu. Was jetzt folgt, betrifft die realen Bedingungen, unter denen eine gute Sache existiert und vielleicht auch nur existieren kann. Denn diese gute Sache ist nicht deshalb gut, weil Religion hier nicht schlecht wegkommt, sondern weil sie – ohne vorhandene Missstände zu verschweigen – Religion fair in das Gespräch der Gesellschaft, auf den Markt der Meinungen bringt. Und da gehört sie hin.

Das Funkkolleg bringt Religion auf die Weise zur Sprache, wie es seinem Auftrag als Medium der Öffentlichkeit entspricht. Ein Blick in die Mitarbeiterliste belegt das: Die Autoren sind mehrheitlich Mitarbeiter der Medien, keine Kirchenfürsten, Theologen oder Religionstheoretiker. Und sie arbeiten auf ihre eigene Art: Sie erzählen, was sie vorfinden; sie fassen Meinungen aktueller Autoren zusammen; sie erzählen Geschichten, die unterschiedliche Menschen heute zu bewegen scheinen – und all das auf die Weise, wie Medien es heute tun: knapp, schnell, reich an Beispielen und möglichst abwechslungsreich. Sie benutzen ihr gut gefülltes Adressbuch, sie sind offenkundig mit unterschiedlichen Lebensbereichen bekannt. Sie sprechen den Zuhörer noch an, wenn er nur zufällig auf ihr Programm trifft und versuchen, ihn „bei der Stange zu halten“; und ebenso gehen sie mit denen um, die gerade wegen ihres eigenen Themas aufmerksam zuhören, lesen oder mitdiskutieren.

Das Gesamtbild für den Medienkonsumenten erscheint kaleidoskopartig: Die Rede ist vom Verschwinden der Glaubensbindung in einer modernen Gesellschaft; der Deutsche Sonderweg wird erörtert, die russische Religionspolitik dargestellt, ebenso die Chinas und Israels; in verschiedenen Zusammenhängen ist vom Islam die Rede; Scharfmacher unterschiedlicher Färbung werden beschrieben wie ein religiöser Pazifismus; die Konflikte im Balkankrieg und in Syrien werden analysiert; an die Schöpfer-Albträume aktueller Naturwissenschaften wird erinnert; die Arbeitsweisen in gemeinsamen politischen Tätigkeiten werden differenziert vorgestellt. Motivationsstories, knappe Zitate, einfacher Satzbau und einprägsame Wendungen sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit nicht erlahmt.

Vieles erinnert an gut gearbeitete Wochenblätter, was nichts Schlechtes ist, aber auf ein bestimmtes Publikum hinweist: den älteren weißen Mann oder – wahrscheinlicher – die Frau. Der ursprünglich immer mitgedachte Ansatz der Erwachsenenbildung bei der beruflichen Qualifizierung verwischt dabei: Die Qualifizierung wird im allgemeinen Mitreden-Können und Bescheid-Wissen liegen. Dass die Möglichkeit dazu angeboten wird, dürfte durchaus im Interesse der Religionsgemeinschaften liegen.

Die Sachfrage nach dem Verhältnis von Macht und Religion folgt der ireneischen Orientierung am Deutschen Grundgesetz. Dabei gerät mir die eigene, eben christliche Problemlage weitgehend aus dem Blick: Wie kann der Christ seine andauernde Verpflichtung zu uneigennützigem Handeln, also Mitarbeiten und Einstehen, sinnvoll durchhalten, ohne der Versuchung zu Besserwisserei und Machtausübung anheimzufallen und ohne Agent einer Bürokratie der Selbsterschaffung und Selbstherrlichkeit zu werden? Anders: Wer Überzeugungen nicht nur hat, sondern wirklich lebt, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit Macht und Geld bekommen, wie das mahnende Beispiel der Geschichte jener Orden zeigt, die an ihrer Macht und am gewachsenen Reichtum scheiterten. Vielleicht können die säkularen Mächte sogar von Religion lernen: Die Orden, die überlebten, retteten sich durch die Besinnung auf ihre ursprüngliche Verpflichtung zu Arbeit, Bescheidenheit und Liebesanstrengung, also durch permanente Neugründung; anders wären auch sie vertrocknet und nutzlos geworden.

Nicole Deitelhoff / Heike Ließmann / Lothar Bauerochse / Claudia Baumgart-Ochse / Klaus Hofmeister / Judith Kösters / Eberhard Nembach (Hg.)

Begleitbuch zum Funkkolleg Religion Macht Politik
Frankfurt: Wochenschau Verlag. 2019
237 Seiten
26,90 €
ISBN 978-3-7344-0738-3

Zurück