Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ottmar Fuchs: Das Jüngste Gericht

Ottmar Fuchs bleibt seinem Thema treu. Es ist ihm während seines Wirkens als Pastoraltheologe an der Universität Tübingen zu einem persönlichen Anliegen geworden, von dem er nun auch nach seiner Emeritierung nicht lassen will. Schon 2007 erschien sein Buch „Das Jüngste Gericht. Hoffnung auf Gerechtigkeit“ im selben Verlag. Eine Dekade später sind der Titel und das Cover nur leicht geändert, die Themen ähnlich, der Stil der vertraute, doch die Texte sind neu. Das Buch erscheint als zusammenhängende Abhandlung. Aber der Leser wird sogleich in zahllose Skizzen und Meditationen hineingenommen, die Hoffnung machen sollen, zum Nachdenken anregen, auch aufrütteln und allesamt getragen bleiben von einer großen Zuversicht. Der rote Faden dieses Buches ist Bestärkung in der Zuversicht, kein linearer Gedankengang.

Schon die vier großen Kapitelüberschriften lassen Stil und Anliegen erkennen: Hoffnungsspuren, Gewaltiges Drama der Liebe, Unerschöpfliche Gerechtigkeit, Die Zeit, die bleibt. Dabei verwebt der Autor durchaus klassische, ja ganz traditionelle Standpunkte und Inhalte mit gewagten Aufbrüchen aktueller Theologie. Dass nicht nur wir, sondern auch Gott die Opfer dieser Welt nicht vergessen und übergehen dürfe, dass Gott in Inkarnation und Passion seine eigene Satisfaktion gegenüber der von ihm zu verantwortenden Schöpfung leiste, diese zum Teil radikalen Anfragen an bisherige dogmatische Positionen in aktuellen Debatten verbinden sich mit einer klaren Wertschätzung für traditionelle dogmatische Topoi. Fuchs hat keine Berührungsängste mit der Rede von Gottesfurcht und Ehrfurcht, der ewigen Schau Gottes als Letztziel des Menschen, dass alles Verstehen in Gottes Liebe geborgen sei. Gerade aus praktisch-pastoraltheologischem Hintergrund sind ihm Konzepte wie Reueschmerz und christologisch gegründete Sühne keine vorkonziliaren Überbleibsel einer abgelegten Spiritualität, sondern unmittelbar erfahrungsbezogene geistliche Grundeinsichten. Manche Standpunkte sind natürlich eher bildungsbiographisch bedingt, so die Vorstellung vom Ganztod und entsprechend der Auferstehung als Neuschöpfung. Beide Ideen hatten ihre Blütezeit vor gut 30 bis 40 Jahren, inzwischen werden sie viel kritischer betrachtet. Doch Fuchs hängt nicht an dogmatischen Formulierungen oder Einzelinhalten. Sein Buch will und soll bewegen, nicht belehren. Ein sehr schönes Kapitel ist hierfür die Anregung zum eschatologischen Beten, hinhörend auf alle Rufe aus dem Leiden dieser Welt, selbst umkehrbereit, mit den Leidenden, stellvertretend und im Vorblick auf unser Geschick. Dabei, und auch darin bleibt Fuchs sich treu, wird nicht einfach losgeschrieben. Hinter den persönlichen Einschätzungen und manchmal rhapsodisch anmutenden Denkbewegungen stehen natürlich Lektüreerfahrungen, Debatten und wissenschaftliche Auseinandersetzungen. Diese legt der Autor dankbarerweise in diesem Buch offen in einem Anhang mit fast 500 Anmerkungen, die zum Weiterlesen anregen.

Für alle, die nach einer streng systematischen Abhandlung über den gegenwärtigen Diskussionsstand zu den eschatologischen Grundproblemen suchen, gibt es andere Werke. Dieses Buch will kein Sachbuch sein, kein Lesebuch, sondern ein Lebebuch, das zu einer ganz persönlichen Auseinandersetzung mit den letzten Dingen anregen und verhelfen will. Als solches ist es gelungen.

Hoffnung über den Tod hinaus
Regensburg: Friedrich Pustet Verlag. 2018
200 Seiten
19,95 €
ISBN 978-3-7917-2814-8

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