Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Philip Gorski: Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump

In wenigen Monaten wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Noch – im Spätsommer 2020 – ist völlig unklar, ob Donald Trump wiedergewählt werden oder ob Joe Biden seine Nachfolge antreten wird. Die USA, so kann man aber auf jeden Fall sagen, sind ein Land, das aus vielen Gründen – vom latenten und offenen Rassismus über wirtschaftliche Faktoren bis hin zur Corona-Krise – gespalten ist und sich in einer der größten Krisen seiner Geschichte befindet. Diese Wahl ist überaus bedeutsam – auch für den Rest der Welt.

Der Ausgang der Wahl hängt von vielen religiösen Aspekten ab, die aus europäischer Perspektive oft erstaunlich wirken oder kaum bekannt sind. Die Trennung von Kirche und Staat gehört zwar zu den Grundprinzipien der USA. Doch spielen religiöse Fragen in der amerikanischen Politik eine außerordentlich wichtige Rolle. Die Macht der Kirchen und religiöser Gruppierungen ist nicht zu unterschätzen. Doch worin genau besteht sie? Wie erklärt sie sich? Wer sind die wichtigen „Player”? Auf diese Fragen antwortet das neue Buch „Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump“ von Philip Gorski, Professor für Soziologie an der Princeton University.

Insbesondere seit der Reagan-Zeit, so zeigt Gorski, habe es eine Allianz zwischen konservativen Evangelikalen (und auch Katholiken) und der Republikanischen Partei gegeben. Dabei stellen die religiös motivierten Wähler nur eine Teilgruppe innerhalb der recht heterogenen republikanischen Wählerschaft neben den geopolitische Ziele verfolgenden „Neo-Konservativen” und den wirtschaftliche Interessen vertretenden „Neo-Liberalen” dar. Auch Trump wurde von christlichen Wählern ins Amt gebracht – so überraschend dies zunächst angesichts seines Charakters und Lebensstils erscheinen mag. Gorski nennt einige verbreitete Theorien für diese Wahlentscheidung der religiösen Rechten. In diesen werde z. B. auf die rationale Erwartung an Trump, dass er prinzipiell eine konservativere Politik verfolgen werde, verwiesen oder auf die Tatsache, dass die Wahl Trumps eher eine Entscheidung gegen Hilary Clinton gewesen sei. Auch mangelnde Informationen über Trump und seine Anliegen oder einfach Rassismus werden als Grund für die Wahl Trumps durch konservative Christen genannt. Gorski stellt diese Erklärungsmuster in Frage und deutet überzeugend den rechtspopulistischen „Trumpismus” als „weißen christlichen Nationalismus”.

Nach einer kurzen Darstellung dieser Verbindung aus Christentum, Rassismus und Nationalismus und ihrer Geschichte erörtert Gorski die „konstantinische Versuchung”, der die christlichen Wählerinnen und Wähler erliegen könnten. Diese liege in einem zu engen Bündnis religiöser Gruppierungen mit einem Machthaber, der die Religion nutzt, ohne, wie es scheint, selbst einen substanziellen Glauben zu haben. Ein solches Bündnis sei nicht ohne eigene Gefahren: Denn diese Gruppierungen könnten nicht nur innerlich gespalten werden; eine zu nahe Identifikation von Christentum und konservativer politischer Macht könnte auch dazu führen, dass das Christentum an Attraktivität verliert und sich politisch anders orientierte Menschen von den Kirchen abwenden. Zu welchen Konsequenzen für den liberalen Rechtsstaat Trump und der Trumpismus führen könnten, zeigt Gorski ebenfalls. Er sieht die Gefahr eines „Tod(es) der amerikanischen Demokratie” (174). Doch findet er Anlass für Hoffnung wie zum Beispiel die Tatsache, „dass es auch viele amerikanische Evangelikale und Pfingsten gibt, die verstehen, dass das amerikanische Christentum gerade wegen und nicht trotz der amerikanischen Demokratie aufgeblüht ist” (187).

Gorki beschränkt sich in seinem Buch nicht auf die Gegenwart, sondern wirft einen Blick auf wichtige Momente der Vorgeschichte des Verhältnisses von Christentum und Demokratie in den USA. Schon viel früher als in Europa standen in der Neuen Welt Christentum und Staat, Religion und Demokratie in einer komplementären, einander ergänzenden Beziehung. Nur vor diesem Hintergrund kann man die gegenwärtigen Konstellationen und die mit ihnen verbundenen Herausforderungen für die Demokratie, aber auch für die Religion(en) angemessen verstehen. Zudem entfaltet er im ersten Teil seines Buches in zwei prägnant geschriebenen und zugleich sehr differenzierten Kapiteln Überlegungen zu den beiden eng miteinander verbundenen Fragen, ob die Demokratie christlich sei und ob das Christentum demokratisch sei. Wer nicht nur Donald Trump und seine Präsidentschaft, sondern die USA und die Vergangenheit und Zukunft dieses Landes und überdies das Verhältnis von Demokratie und Christentum verstehen will, wird Gorkis – spannend geschriebenes – Buch mit Gewinn lesen.

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Philip Gorski und Hella Heydorn
Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. 2020
223 Seiten
24,00 €
ISBN 978-3-451-38890-3

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