Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Rainer Hagencord: Gott und die Tiere

 

Rainer Hagencord ist Leiter des Instituts für Theologische Zoologie in Münster und seit vielen Jahren Vorkämpfer eines Perspektivenwechsels im Umgang mit Tieren. Mit „Gott und die Tiere“ erschien 2018 eine zweite Auflage dieses ursprünglich 2008 erschienenen Werkes, das wiederum eine gekürzte Ausgabe seiner Dissertation von 2004 war, das selbst inzwischen in der 4. Aufl. erschienen ist (2009). Hagencords Grundüberzeugung ist, dass eine falsche Sicht auf das Tier als Gottesgeschöpf auch den Menschen von Gott fortführt; zugleich ist es sein dringendes Anliegen, dem Tier einen Platz als Mit-Geschöpf des Menschen wiederzugeben und es nicht auf seinen Nutzen für den Menschen zu beschränken. Gegenüber René Descartes, bei dem er die endgültige Wandlung des Tieres zum reinen Automaten ohne Selbstbewusstsein verortet, bringt Hagencord andere theologische Traditionen in Stellung, vor allem natürlich biblische, daneben den cusanischen Gedanken der Gottesunmittelbarkeit des Tieres oder der Enzyklika „Laudato si´“. Der Schwerpunkt liegt jedoch eindeutig auf der Einbindung verhaltensbiologischer Erkenntnisse und deren (möglicher) philosophischer Interpretation.

Man muss Hagencord für sein großes Engagement in einem bisher marginal behandelten Thema der Theologie danken, ebenso sollte man die konsequent intra- und interdisziplinäre Ausrichtung der Theologischen Zoologie loben. Eine Theologie der Schöpfung bedarf tatsächlich einer ernsthaften Beschäftigung mit allem Geschaffenen, gerade in seiner jeweiligen Eigenheit. Genau jene „Eigenheit“ erscheint als das große Problem der Arbeit(en) Hagencords, insofern sie nicht selten in ein meiner Ansicht nach univokes Begriffsrepertoire münden. Begriffe wie Bewusstsein, Unmittelbarkeit, Leben, Gefühl und viele weitere erscheinen als problematisch, wenn Hagencord sie eins zu eins auf Menschen wie auf Tiere ausdeutet oder eben solches andeutet, indem er wichtige Begriffe in Anführungszeichen setzt; an manchen Stellen, etwa bzgl. der Weite des Begriffs „pleasure“ innerhalb der Verhaltensbiologie, bespricht der Verfasser dieses Problem jedoch. Neben der Frage, ob sich dieses im biologischen Sinne überhaupt rechtfertigen lässt (Hagencord nennt oft „mögliche Interpretationen“, ohne auf deren Akzeptanzgrad innerhalb der jeweiligen Disziplin einzugehen), dürfte die Frage – auch im Sinne Hagencords selbst (vgl. seine Bezugnahme auf den Cusaner)! – viel bedeutsamer sein, ob dem Tier eigentlich damit gedient sei, seinen Status doch nur wieder von seiner Vergleichbarkeit mit dem Menschen her zu definieren. Innerhalb seiner Einbindung von „Laudato si´“ merkt der Verfasser zwar an, dass es ein solcher Anthropologismus gar nicht das Ziel sein dürfe, um dann doch mit Buber auf das Gott-Tier-Verhältnis als Du-Beziehung zu rekurrieren.

Die Anfragen des Rezensenten mögen zugleich aber als Beleg dafür dienen, wie ernst zu nehmen das Anliegen und die Anfragen Rainer Hagencords auch vierzehn Jahre nach dem Erscheinen seiner Dissertation sind. Zugleich bemerken wir ein immer weiter steigendes ökologisches Bewusstsein in unserer Gesellschaft, das es ermöglichen würde, einen solchen theologischen Diskurs stärker in gesellschaftliche Debatten einzubinden, als dies bisher geschieht. Hagencord setzt mit seiner erneuerten Arbeit erste (allerdings auch nur solche) Wegweiser in Richtung der Pastoral und Vermittlung eines solchen erneuerten Bewusstseins. Dem anregenden Buch ist eine umfassende Debatte vor allem innerhalb der systematischen Theologie zu wünschen.

Ein Perspektivenwechsel
Mit einem Beitrag von Bischöfin i.R. Bärbel Wartenberg-Potter
Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. Durchgesehene und ergänzte Neuausgabe 2018
191 Seiten
15,00 €
ISBN 978-3-8367-0047-4

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