Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Richard Dawkins: Atheismus für Anfänger

Es gilt, ein weiteres Buch des inzwischen emeritierten Evolutionsbiologen Richard Dawkins anzuzeigen. Bereits in seinem vielverkauften Buch „Der Gotteswahn“ (dt. 2007) hatte Dawkins auf die „religiöse Indoktrination“ von Kindern hingewiesen, die er bis zu einem gewissen Alter als entscheidungsunfähig darstellt und die religiöse Unterweisung daher sogar analog zur „Kindesmisshandlung“ gesetzt. An genau dieser Stelle schließt sein 2019 im Ullstein Verlag erschienenes Buch „Atheismus für Anfänger“ an, dessen englischer Titel deutlich prägnanter ist: „Outgrowing God. A Beginner´s Guide“, eine Anleitung also, Gott zu entwachsen. Dawkins‘ Zielgruppe sind nicht „Anfänger“, sondern Jugendliche, die anfangen sollen, atheistisch zu denken. Der vermutete junge Leser wird entsprechend konsequent geduzt. Also eine Anleitung zum Gottlos-Glücklich-Werden für Jugendliche auf über 300 Seiten?

Dieses Anliegen erscheint ebenso optimistisch wie ambitioniert, auch wenn die Sprache einfach ist und Erinnerungsstützen den besprochenen Inhalt immer wieder ins Gedächtnis rufen. Inhaltlich kommt diese „Jugendausgabe des Gotteswahns“ wenig überraschend daher, man ist geneigt, an eine aufbereitete Ausgabe des Gotteswahns in „Leichter Sprache“ zu denken. „Atheismus für Anfänger“ enthält zwei große Blöcke, unterteilt in jeweils sechs Kapitel mit teils plakativen, teils rätselhaften Titeln, die inhaltlich nicht stringent aufgebaut, dafür aber von zahlreichen Invektiven gegen Glaubende durchzogen sind. Wollte man dennoch jeweils eine kurze Inhaltsangabe versuchen, bestünde der erste Block aus einer Abrechnung mit der Religion. Überwiegend ist es natürlich das Christentum, auf das sich der ehemalige Anglikaner Dawkins bezieht, doch auch Judentum und Islam werden angesprochen. Der Block enthält Stellungnahmen zu Fragen von Mono-, Poly-, Pan- und Atheismus (Kap. 1), zur „Wahrheit“ kanonisch-biblischer und apokrypher Schriften (Kap. 2) sowie der Entstehung und dem Sinn mythischer Erzählungen (Kap. 3). Des Weiteren rechnet Dawkins mit den gewalttätigen Aspekten in den biblischen Schriften ab (Kap. 4) und entlarvt die ethischen Aspekte der Religion als Resultat purer Angst vor einem strafenden Gott (Kap. 5). Das sechste Kapitel stellt ein Scharnier zwischen dem ersten und zweiten Block dar, indem es sich mit der Evolution derjenigen Werte beschäftigt, die wir heute als „gut“ bezeichnen. Der eigentliche zweite Block beginnt mit der Komplexität natürlicher Phänomene (Kap. 7) und arbeitet sich dann vor zu einer Auseinandersetzung zwischen Darwin‘scher Evolutionstheorie und dem Uhrmachergleichnis von William Paley (Kap. 8), dem Prinzip der Selbstmontage in der Natur (Kap. 9) sowie der DNA als Serie von Anweisungen zum Aufbau von Organismen (Kap. 10). Im elften Kapitel versucht Dawkins dann schließlich, die Rolle der Religiosität innerhalb seines solchermaßen vorbereiteten Kosmos auszudeuten: Religion erscheint ihm als temporärer, evolutionärer Vorteil, der den Menschen mit den Unsicherheiten des Lebens besser zurechtkommen lässt – der es aber zum richtigen Zeitpunkt zu entwachsen gilt. Dieses Entwachsen gilt für die Menschheit als Ganze, aber an dieser Stelle vor allem den jugendlichen Lesern. Mit seiner Nebenprodukt-Theorie erklärt Dawkins den Ursprung der Ethik als „gewissen darwinistischen Druck, sich nett zu verhalten“. Abschließend plädiert er dann folgerichtig gegenüber seiner Zielgruppe, mutig zu sein, erwachsen zu werden und sich von der Vorstellung Gottes zu emanzipieren (Kap. 12).

Dawkins‘ „Gotteswahn“ haben zahlreiche Theologen seinerzeit zum Anlass genommen, sich mit diesen anti-theistischen Argumentationslinien auseinanderzusetzen. Das neue Werk zeigt, wie wenig Erfolg solchen Versuchen offenbar beschieden ist. Wieder einmal errichtet der Autor seinen altbekannten Popanz, basierend auf einem Christentumsverständnis des 19. Jahrhunderts, der längst überwunden zu sein schien. Dawkins entdeckt ihn dennoch in christlichen Splitter- und Sondergruppen in den USA, die er dann einfach nur noch mit „dem“ Christentum identifizieren muss. Die Form der Aufklärung, die Dawkins entsprechend verrichten zu müssen glaubt, haben Theologie, Religion- und Geschichtswissenswissenschaft bereits seit langem selbst geleistet, und das deutlich differenzierter. So läuft die Selbstinszenierung von Dawkins als naturalistischer Aufklärer wieder einmal völlig ins Leere und eine Widerlegung seiner „Thesen“ wie eine Aufzählung all der kleinen und großen Fehler wäre für den Rezensenten wie für den Leser nur ermüdend. Ob das Buch dennoch verwendbar ist, etwa als Muster für die Argumentation eines zeitgenössischen, recht vulgären Atheismus, bliebe zu überlegen. Wer sich mit Atheismus beschäftigt, dem sei geraten, weiterhin auf die Klassiker bis hin zum Wiener Kreis zurückzugreifen.

Warum wir Gott für ein sinnerfülltes Leben nicht brauchen
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel
Berlin: Ullstein Verlag. 2019
320 Seiten m. Abb.
18,00 €
ISBN 978-3-550-200044-1

Zurück