Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

SAID: Ich, jesus von nazareth

Mit theologischen Kriterien kommt man diesem Büchlein nicht bei. Denn es ist ein ganz und gar literarisches Werk, das in prophetischer Sprache die politische und humanistische Botschaft seines Autors verkündet.

„ich, jesus von nazareth“ ist formal ein Prosagedicht, gegliedert in unterschiedlich lange „Strophen“. Inhaltlich ist es eine Zeitkritik, die der Autor als Mahn- und Drohrede dem biblischen Jesus in den Mund legt. Es ist eine Rede im Stil prophetischer Verkündigung, ein Spiel mit religiösen Bildern und Vorstellungen. Die Gedankenführung ist assoziativ, überspringt Zeiten und sprengt gedankliche Ordnungen und dogmatische Setzungen. Kurze thesenartige Sätze mit ebenso knappen Begründungen nähern den Text der gesprochenen Sprache an; Wiederholungen und Wortreihungen bewirken seine Eindringlichkeit; Bilderreichtum vermittelt Anschaulichkeit; die direkte Ansprache des Lesers löst Betroffenheit aus und das an die Spitze der Strophen gestellte „ich“ oder auch die biblische Formel „ich aber sage euch“ betonen die Subjektivität und Autorität des Sprechenden.

Zwar wählt der Autor zu seinem Sprachrohr Jesus von Nazareth. Aber das ist nicht der dogmatische Christus der rechtgläubigen Katechismen, nicht der softe Jesus einer weichgespülten Verkündigung und auch nicht das wissenschaftliche Konstrukt einer historisch-kritischen Bibelexegese. Vielmehr wählt SAID aus dem Textbestand der Evangelien solche Züge aus, die ihm für sein Engagement und seine Zeitkritik als geeignet erscheinen. Jesus ist „ein barfüßiger jude, der umherzieht und von der liebe erzählt“; er verabscheut „regierungen und truppen, geheimdienste, folterer und gefängnisse“. Sein Vorläufer ist nicht Johannes der Täufer, sondern Spartakus, der Anführer des römischen Sklavenaufstandes, der „das kreuz mit seinem leib geadelt hat“. Eine zentrale Rolle spielt die Metapher der Auferstehung. Auferstehung ist kein einmaliges Wunder, sondern ein fortdauerndes Aufstehen gegen Verhältnisse, in denen Menschen unterdrückt und ihre Freiheiten eingeschränkt werden und die Liebe Schaden erleidet. Es erscheint selbstverständlich, dass eine neue Welt der Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit im Sinne SAIDs nicht durch wohlmeinende Appelle und Aufrufe zur Nächstenliebe herbeigeführt werden kann. Deshalb ist Jesus nicht nur ein liebender, sondern auch ein kämpferischer Rebell, der nicht gekommen ist, „frieden zu bringen, sondern das schwert.“ Zur literarischen Gestaltung seiner universalen humanistischen Botschaft schöpft der Autor aus dem Vorrat jesuanischer Traditionen und prophetischer Redeformen. SAIDs „jesus von nazareth“ ist kein theologisches Buch und keine fromme Erbauungslektüre. Es ist die leidenschaftliche Kritik an Verhältnissen, in denen Menschenrechte verletzt werden und die Entfaltung der Liebe behindert wird.

Sicher ist die politische Haltung des Autors auch mitbedingt durch seine Biografie. SAID kam 1965 nach Deutschland und studierte Politikwissenschaften. Nach dem Sturz des Schahs 1979 kehrte er in den Iran zurück. Die durch die Mullahs begründete Theokratie veranlasste ihn aber, nach Deutschland zurückzukehren. Hier erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit und die deutsche Sprache wurde dem Exilanten zu einer neuen „Behausung“.

Mit einem Nachwort von Erich Garhammer
Würzburg: Echter Verlag. 22018
59 Seiten
12,90 €
ISBN 978-3-429-04452-7

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