Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Sigmund Bonk (Hg.): Zwischen Rationalität und Religion

Sowohl im Bereich der katholischen Theologie im Allgemeinen als auch unter Religionslehrern im Besonderen ist seit Jahrzehnten für viele der Name Josef Ratzinger / Benedikt XVI. mit der Aura des Inquisitorischen versehen. Nur wenige nehmen eine Überzeugung zur Kenntnis, die für seine Theologie schon seit langer Zeit leitend geworden ist: dass christlicher Glaube und Vernunft, Offenbarung und Aufklärung keine Feinde sind, sondern füreinander eine wechselseitige Herausforderung darstellen, von der beide Seiten nur profitieren können.

Dieser Überzeugung weiß sich auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer verpflichtet, der im Jahr 2014 in seinem Bistum das „Forum Albertus Magnus“ eröffnet hat, dessen Vorträge aus den darauf folgenden Jahren im vorliegenden Sammelband veröffentlicht werden und die dem Verhältnis von „Rationalität und Religion“ gelten. Eine Schlüsselstellung gewinnen in diesem Zusammenhang die Beiträge von Karl-Heinz Menke und Gerhard Kardinal Müller. Ersterer setzt sich kritisch mit solchen theologischen Ansätzen auseinander, für die eine neuzeitliche Wendung zur Freiheit des Subjekts zum Maß dessen geworden ist, was sie sich von Offenbarung und Tradition sagen lässt (wobei hier seine jüngst erfolgte Auseinandersetzung mit dem Freiburger Fundamentaltheologen Magnus Striet durchscheint). Letzterer bezieht sich insbesondere auf die „Regensburger Rede“ von Benedikt XVI., von der im öffentlichen Bewusstsein nur die schnell als „islamophob“ markierte Anfrage zur Gewaltproblematik im Islam angekommen ist. Ihr gegenüber macht Müller im Sinne des Papstes den Rationalitätsanspruch kenntlich, dem die Religionen sich unterwerfen müssen, wenn ihre öffentliche Präsenz nicht einem Relativismus verfallen soll, der allzu schnell zur Gesinnungsdiktatur wird.

So macht ein großer Teil der hier veröffentlichten Vorträge auf unterschiedliche Weise darauf aufmerksam, dass unser Bewusstsein eine gegebene Wirklichkeit nicht nur passiv abbildet, sondern dass erkenntnisleitende Vorstellungen, die wir unsererseits nicht sehen, eine Vorentscheidung darüber bedeuten, auf welche Weise ein Gegenstand für uns sichtbar wird. Im Bereich geisteswissenschaftlicher und philosophischer Reflexionen wird das kaum jemanden überraschen. Höchst aufschlussreich und teilweise um ein hohes Maß an Anschaulichkeit bemüht sind in diesem Zusammenhang die Beiträge zum Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft, die deutlich machen, dass etwa die physikalische Erkenntnis keineswegs ihre Wirklichkeit nur abbildet, sondern dass in die vermeintliche Abbildung ihrerseits oft unbewusste Vorentscheidungen darüber eingehen, auf welche Weise etwas für uns zum Gegenstand wird. Wie sehr Vernunft und Religion einander auch im Bereich der praktischen Vernunft bedürfen, zeigt dann der Herausgeber Sigmund Bonk in seinem Beitrag über Thomas von Aquin und Immanuel Kant auf.

Der vorliegende Band wird abgerundet durch soziokulturelle Beiträge, von denen die Auseinandersetzungen mit der Gendertheorie und der „Ehe für alle“ von besonderer Aktualität sind, weil sie die Überzeugungen des Mainstreams einer nüchternen und teilweise auch ernüchternden Analyse unterziehen.

Interdisziplinäre Perspektiven
Unter Mitarbeit von Susanne Biber
Regensburg: Friedrich Pustet Verlag. 2019
392 Seiten m. Abb.
29,95 €
ISBN 978-3-7917—3047-9

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