Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Silja Walter / Liliane Juchli / Michaela Puzicha: Jemandsland

Der Begriff Niemandsland bezeichnet ein Gebiet, das von niemandem beansprucht, bewirtschaftet oder besiedelt wird. Es ist ein Landstrich, der einfach niemandem gehört, weil er geographisch bloß dazwischen liegt und im politischen Sinn so etwas wie eine neutrale Zone bildet. 

Anders verhält es sich da mit dem Begriff Jemandsland, den Silja Walter (1919-2011), Liliane Juchli (geb. 1933) und Michaela Puzicha (geb. 1945) über ihre drei Essays gesetzt haben. Sie begeben sich damit bewusst nicht auf neutrales Terrain, sondern auf heilsgeschichtlichen Boden und verorten biblische Lebensräume und Lebensphasen im Hier und Heute ihres persönlichen Erfahrungshorizonts. So verbindet Silja Walter, die als Sr. M. Hedwig seit 1948 im Benediktinerinnenkloster Fahr in der Schweiz lebte, die Dimensionen ihres Klosterlebens im Alltag einer monastischen Klausur mit zentralen Motiven und Ereignissen der Heilsgeschichte: Paradies, Exodus, Bund, Kanaan, Stadt vom Himmel. Im Spiegel ihrer konkret erlebten Gemeinschaft erkennt sie allgemeingültige Perspektiven des Unterwegsseins im „geheimnisvollen Heilsjetzt“, die jedoch nicht ausgedeutet, sondern nur knapp skizziert und angedacht werden. 

Michaela Puzicha, Benediktinerin der Abtei Unserer Lieben Frau zu Varensell (Rietberg) und Autorin einschlägiger Studien zur Benediktusregel und zum frühen Mönchtum, führt die Gedanken weiter und zeichnet mit ähnlichen Begriffen den dynamischen Heilsweg in der Regel des hl. Benedikt von Nursia nach. Weg, Anfang, Exodus, Bundesschluss, Gehorsam, Gotteserfahrung und Gemeinschaft sind hier ihre Orientierungspunkte im Jemandsland. Dabei wird deutlich, dass der Weg des Suchens, Fragens und Reifens nicht „neutral“ verlaufen kann, sondern immer schon mit Heilsgeschichte und Tradition – Erbe und Auftrag – gefüllt ist. Diese beharrliche Wander-Existenz vollzieht sich freilich nicht mühelos, wohl aber im Wissen um die „Undispensierbarkeit“ von ständig neuen Anfängen und Aufbrüchen und im Bewusstsein dessen, dass der Glaubensweg durch Höhen und Tiefen führen muss und letztlich nur eins (ab-)verlangt: zu hören und zu antworten. Biblische Figuren, Erzählungen und Bezeichnungen werden aufgegriffen und in einen Zusammenhang mit der Benediktusregel und zu den gegenwärtigen Verhältnissen gesetzt. 

Die Allgemeingültigkeit solcher „zeichenhaften Raum-Bilder“ greift Liliane Juchli, Kranken- und Ordensschwester der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz in der Schweiz, auf und fragt nach der Ganzheitlichkeit des Weges, der sowohl das Leben im Gewohnten wie auch das Verlassen alter Lebensformen mit sich bringt. Hoffnung und Verheißung stellt sie in das Licht einer größeren Solidarität, in der sich Gottes Handeln und die Mitwirkung des Menschen zu einem stets wachsenden „Aufenthalt im Werden“ kreativ verbinden. 

Sich im Jemandsland beheimatet zu wissen, ohne jedoch sesshaft zu werden, ist die Grundperspektive der drei Beiträge, die Denkanstöße und Wegmarkierungen für den Alltag bieten. Die Erinnerung an die Heilstaten Gottes und deren Vergegenwärtigung im eigenen Lebenskontext bezeugen, wenn in aller Kürze, dass nur so Identität entstehen und Zugehörigkeit wachsen kann.

Trotz zahlreicher Doppelungen und Wiederholungen ist ein sehr persönliches Buch entstanden, in dem wertvolle Gedanken aus der Perspektive dreier Ordensschwestern zusammengetragen wurden.

 

topos taschenbücher, Band 877
Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2014
86 Seiten
8,95 €
ISBN 978-3-8367-0877-7
 

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