Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Sonja Angelika Strube (Hg.): Das Fremde akzeptieren

Auch wenn sich seit einigen Jahren vermehrt kirchlich-institutioneller Widerspruch gegen die Vereinnahmung durch rechtspopulistische Strömungen wie Pegida und die AfD regt, so konstatiert Sonja Angelika Strube zu Recht, dass „bestimmte exklusivistische, autoritäre und rigide Formen christlichen Selbstverständnisses mit autoritären und gruppenbezogenen-menschenfeindlichen politischen Einstellungen harmonieren“ (16). Von daher ist es das Anliegen des Sammelbandes, danach zu fragen, welche Formen des christlichen Selbst- und Frömmigkeitsverständnisses solche Einstellungen fördern und welche theologischen und kirchlichen Umdenkprozesse notwendig sind, um diesen entgegenzuwirken.

Der Band versucht diesen ersten Fragestellungen gerecht zu werden, indem er zunächst sich in einem ersten Kapitel der kritischen Reflexion widmet, wobei der Eingangsaufsatz der Herausgeberin eine gute Übersicht über den bisherigen Forschungsstand und die Herausforderungen des Themas gibt sowie das Anliegen des Buches verdeutlicht. Der historische Abriss von Gerhard Lindemann, der sich der Verstrickung von Christentum und Nationalsozialismus widmet und dem Umgang mit der historischen Schuld, schließt hieran an.

Im zweiten Kapitel des Bandes, welches sich für die Vollendung des 2. Vatikanums ausspricht, leitet Eberhard Schockenhoff vor allem aus dem nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ ab, wieso eine christliche Moral vor allem menschenfreundlich gedacht werden muss. Roman A. Siebebrock belegt in seinem Aufsatz, wieso „allein in der Hochachtung vor allen Menschen“ das Evangelium bezeugt werden kann.

Diesen theologischen Begründungen des Ausschlusses von exkludierenden Auslegungen des Botschaft Jesu folgt ein Kapitel, welches unter dem Titel „Abwertungen überwinden“ versucht innerkirchliche Lösungsansätze zu postulieren. Hierbei plädiert Margit Eckholt für Auslegung des Missionsbegriffs, der die frohe Botschaft lebt, dabei aber zugleich sich gegen Rassismus und Chauvinismus einsetzt. Anne Krauß schließt sich dieser Haltung an mit ihren Impulsen für eine barrierefreie Theologie, die statt allein auf Mildtätigkeit auf Teilhabe und Inklusion setzt.

Das vierte Kapitel mit den Aufsätzen von Andreas Lob-Hüdepohl, Christian Kern, Christian Bauer und Constantin Klein versucht unter dem Titel „Pluralität, Ambivalenz, Fragilität“ zum einen die Verantwortung der Kirchen für die Demokratie wie auch Präventionsmöglichkeiten des Glaubens gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auszuloten.

Das letzte Kapitel versteht sich als Aufruf zum vehementen Widerspruch gegen Rassismus und weiterer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Monika Scheidler skizziert dabei überzeugend praktische Instrumentarien für den Umgang mit Vorurteilen in der Seelsorge.

Der Aufbau und die Durchführung des Sammelbandes bieten viele Anregungen für die praktische und theoretische theologische Auseinandersetzung mit Haltungen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie sie sich im Rechtspopulismus wiederfinden. Dabei gelingt es den Autoren überzeugend, die Kernfragen von Identität, die sich oft hinter Begriffen wie Heimat, Glaube und Familie verbergen, aus menschenfeindlicher Vereinnahmung zu befreien und schlüssig zu argumentieren, warum sich exkludierende Haltung nur schwer mit der Botschaft Jesu verknüpfen läßt. Die Plädoyers zur Konfliktfähigkeit als Teil des gelebten Glaubens lassen sich als Ermutigung auffassen, Widerspruch gegen Rassismus und die Abwertung Anderer zu leisten. Schade ist allein nur, dass neben den vielen theologischen Anregungen die historische Verortung der Verantwortung der Kirchen für die Etablierung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nur am Rande aufgegriffen und die Verkürzung dieser auf die Rolle der Kirchen in der NS-Zeit, wie beispielsweise im Aufsatz von Lindemann, nicht gerecht wird. Diese Einschränkung wird weder der historischen Verantwortung der Kirchen zur Konstituierung eines tief im Glauben verwurzelten Antijudaismus gerecht, der letztlich im rassisch begründeten Antisemitismus mündete, noch dem Verhältnis der Kirchen zu antimodernistischen, antidemokratischen und antipluralistischen Tendenzen, welche auch nach 1945 durchaus weiter rechtspopulistische und gruppenbezogene menschenfeindliche Interpretationen des Evangeliums ermöglichten.

Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenwirken
Theologische Ansätze

Freiburg: Herder Verlag. 2017
283 Seiten
25,00 €
ISBN 978-3-451-37887-4

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