Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Stefan Böntert / Winfried Haunerland / Julia Knop / Martin Stuflesser (Hg.)

 

Im Vorwort des vorliegenden Bandes heißt es, dass die Frage nach Macht in der Kirche noch lange nicht beantwortet sei, was ebenfalls durch die Beiträge nicht eingeholt werden könne. Dennoch zeigen die verschiedenen Autorinnen und Autoren die große Bandbreite dieser Fragestellung auf. In fünf Kapiteln wird sich dem Themenkomplex von Gottesdienst, Macht und Klerikalismus aus verschiedenen Perspektiven angenähert.

Beginnend mit den Symbolen von Macht und deren Inszenierung zeigt Julia Knop die „systemische Hervorhebung des Klerikers“ auf. So sei der liturgische Leitungsdienst den Männern „auf den Leib zugeschrieben“. Die Repräsentation Christi werde auf die Person im Sinne der Gestalt Jesu (vor seinem Tod), nicht auf die Rolle (des Auferstandenen) bezogen (29). Daran anschließend zeigt Stefan Böntert die herausgehobene Gestalt des geweihten Vorstehers auf. Durch besondere liturgische Kleidung werde die Trennung zu den Laien manifestiert. In der Sakralisierung des Amtes erkennt Böntert eine systemische Inszenierung des Klerikers. Dass es sich dabei keineswegs um ein rein binnenkatholisches Problem handelt, zeigt Thomas Stubenrauch mit seinem Artikel „Klerikalismus in der Ökumene“ auf. Eine besonders subtile Form des Klerikalismus vermag er in ökumenischen Gottesdiensten zu erkennen, in denen der Altar, der konfessionsübergreifend Christus repräsentiert, durch einen „Phalanx von Amtsträgern“ verdeckt werde.

Kreativ wird das Werk im Kapitel „Reden und Tun. Performanz des Gottesdienstes“ unterbrochen, da hier tatsächlich die Methode vom Vortrag hin zum Dialog bzw. zur verschriftlichten Podiumsdiskussion wechselt. Es wird eine phänomenologische Annäherung durch Bilder und Videosequenzen vorgenommen, die von Nora Gomringer (Poetin), Christine Theobald (Intendantin des Staatsballetts, Berlin) und Ulrich Khuon (Intendant am Deutschen Theater, Berlin) in ihrer Wirkung auf den Zuschauer gedeutet werden.

Den Auftakt zum Kapitel „Symbolik des Unterschieds“ bildet der Artikel von Winfried Haunerland, mit dem er auf die von Julia Knop vorgelegten Thesen eingeht. Liturgie als heiliges Spiel lebe von verschiedenen Rollen. Er betont dabei die Symbolik des Unterschieds von gemeinsamem Priestertum und Priestertum des Dienstes, bei der es um eine sachgerechte Profilierung dieser Symbolik gehe. Darauf folgen Responsa von anglikanischer (Lizette Larson-Müller), evangelisch-lutherischer (Alexander Deeg), alt-katholischer (Angela Berlis), orthodoxer (Constantin Miron) und freikirchlicher (Stefan Schweyer) Perspektive. Ins Auge fällt dabei die Unterschiedlichkeit der ekklesiologischen Ansätze, die eine Spannbreite aufzeigen, die dem Priester Amt und Funktion neben anderen ermöglicht, bis hin zu der Gefahr, dass Priester meinen, alleine die Kirche zu bilden. Zudem wird die Frage aufgeworfen, ob die Zentralstellung des Priesters nicht die christologische Mitte verdeckt bzw. ob Gott als eigentlich Handelnder in der Liturgie nicht zu sehr durch Worte, Riten, Räume und Gewänder verdeckt wird. Wenn Liturgie als heiliges Spiel verstanden werde, dann dürfe die Rolle der verschiedenen Akteure nicht hinter die einseitige Rolle des Zelebranten zurücktreten.

Mit dem Kapitel „Männer an der Macht – Liturgie und Geschlecht“ stellt sich die Frage nach dem Frausein in der Kirche, was bis heute bedeute „nicht gleichberechtigt“ zu sein (Ingrid Fischer, 179). Das führt dazu, dass viele Gläubige die Ritualgemeinschaft der Kirche verlassen (Judith Hahn). Judith Müller schließlich stellt die Gretchenfrage: „Wie heißt das Stück, das hier gespielt wird? Hierarchia oder Communio?“ (212)

In einem letzten Kapitel werden Resonanzen der Tagungsbeobachter Walter Lesch (aus soziologischer Sicht) und Johannes Wübbe (Mitglieder der Liturgiekommission der DBK) eingeholt, um abschließend mit dem inspirierenden Bild von Miriam Rose „poetic church“ eine Vision von Kirche vorzulegen, „die der menschlichen Imaginationsfähigkeit Raum gibt“. (230)

Was kann systemisch verbessert und verändert werden? Die Frage wird zu Recht gestellt und zu beantworten versucht. Im letzten hängt es an der Frage des Selbstverständnisses des jeweiligen Liturgen, ob er sich in den Dienst nehmen lässt und dadurch in der Liturgie Gott selbst aufscheinen kann oder nicht. Dieser Band verspricht, was im Vorwort angekündigt ist, indem eine Bandbreite an Zugängen zur Thematik vorgelegt wird. Dennoch wäre eine weitere Perspektive wünschenswert, nämlich die psychologische. Wenn die Gretchenfrage richtiggestellt ist, ob hier Hierarchia oder Communio gespielt wird, hat die Antwort darauf Auswirkungen, die gewiss mit dem Rollenverständnis und dem Selbstwertgefühl des Liturgen zu tun hat.

Klerikalismus in der Liturgie
Regensburg: Verlag Friedrich Pustet. 2021
240 Seiten m. s-w Abb.
24,95 €
ISBN 978-3-7917-3286-2

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